Schattenreiter
so.«
Ich blickte aus dem Seitenfenster und entdeckte einen Mann, der durch das hohe Gras ritt. Schweif und Mähne seines Pferdes wehten im Wind. Kraftvoll stieß sich das Tier vom Boden ab, als wollte es mit uns mithalten. Doch der Camaro war schneller. Es dauerte nicht lange, bis der Reiter hinter uns zurückblieb. Im Rückspiegel erkannte ich sein Gesicht. Es war Rin.
»Du kannst mich hier schon rauslassen«, sagte ich spontan.
»Hier? Hier ist doch nichts, außer der alten McDonald-Farm.« Sie hielt dennoch an.
»Macht nichts. Danke fürs Mitnehmen.«
»Aber wie willst du denn nach Hause kommen?«
»Fährt hier kein Bus?«
»Ja, schon. Aber nur alle vier Stunden.«
»Dann nehme ich den Bus.« Ich winkte.
»Okay, wenn du meinst.« Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und entdeckte Rin. »Verstehe. Du gibst nicht so schnell auf, was?«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich und zwinkerte ihr zu.
»Viel Glück. Ich melde mich bei dir wegen der Eröffnungsfeier im Cobra Club.«
»Mach das.«
Ich schlug die Wagentür zu, und Ira brauste davon. Erst als sie außer Sichtweite war, drehte ich mich um und lief gemütlich den Weg zurück, die Hände in den Taschen meiner Jeans vergraben. Auf halber Strecke blieb ich stehen und wartete, bis Rin mich eingeholt hatte.
Der hob überrascht eine Augenbraue, als er mich erkannte.
»So sieht man sich wieder«, sagte ich und wich aus Respekt vor dem anmutigen Tier einen Schritt zurück.
Rin saß ab, nahm die Zügel in die Hand und sah mich erstaunt an. »In der Tat, eine Überraschung.« Er klopfte dem Pferd auf den Hals, das zufrieden schnaubte. »Was führt dich hierher, Stadtmädchen?«
»Ich heiße Jorani.«
»Rin.« Er gab mir die Hand und schüttelte sie. Was für ein kräftiger Händedruck. Das Holzfällerhemd hatte er sich um die Hüften gebunden. Jetzt trug er nur noch ein weißes Unterhemd, unter dem sich seine Brustmuskeln verführerisch abzeichneten.
»Ich war neugierig, was du hier machst«, klärte ich ihn auf.
»Ich verschaffe Roys Pferd Auslauf.«
»Alles dreht sich um Roy«, merkte ich amüsiert an.
»Wie kommst du darauf?«
»Ach, nicht so wichtig.« Ich winkte ab. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich gerade in Roys Souvenirshop gewesen war.
»Er hat mich vorhin darum gebeten, weil er in letzter Zeit viel zu tun hat und es nicht schafft, sich um Larki zu kümmern. Aber Larki braucht Bewegung und den Wind der Freiheit, der ihm um die Nüstern weht.«
»Wie kommt es, dass Roy ein eigenes Pferd hat?«
»Das ist hier nichts Ungewöhnliches. Es ist im Stall der McDonalds untergebracht.«
Liebevoll strich er über die Blesse des Hengstes, der daraufhin den Kopf leicht hob, als wollte er Rins Worten zustimmen. Ich hatte nie zuvor einen Menschen so sanft mit einem Tier umgehen sehen. Rin behandelte es so behutsam wie einen engen Freund.
»Ich nehme an, ihr habt in der Großstadt keine Pferde.« Er betrachtete mich eingehend. Doch nicht nur er. Das Pferd wandte den Kopf zur Seite und blickte mich aus einem dunklen, unergründlich schwarzen Auge an. Es war unendlich sanft und zugleich wild.
»Doch. In Berlin gibt’s auch Ställe. Aber ich muss gestehen, dass ich keines dieser Mädchen war, die für Pferde und Reiten schwärmen.«
»Und warum nicht?«
Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich hatte Angst.«
Er lachte. »Wovor?«
»Keine Ahnung. Vielleicht davor, abgeworfen oder getreten zu werden?«
»Larki würde so etwas nie tun. Vorausgesetzt, du genießt sein Vertrauen.«
»Das habe ich bestimmt nicht.«
»Was macht dich da so sicher?« Er kraulte Larki hinter dem Ohr, strich ihm die Mähne nach hinten. Das Pferd schnaubte leise.
»Ich habe keinen besonders guten Draht zu Tieren. Ich mag sie, sie mögen mich, und dennoch gehen wir uns aus dem Weg.«
»Weil ihr nicht dieselbe Sprache sprecht.«
»Ja, vielleicht. Meine Vorfahrin war eine Lakota, und Dad sagte oft, sie hätte es verstanden, mit Tieren zu sprechen. Nicht mit der Stimme, sondern durch Gesten, durch ihre Zuneigung. Aber ich habe ihre Fähigkeit nicht geerbt.« Es war eine Gabe, die nun einmal nicht jeder besitzen konnte. Rin hatte sie, da war ich mir sicher.
»Sie muss eine weise Frau gewesen sein. Aber etwas von ihr ist auch in dir. Du solltest es versuchen.«
Er ließ plötzlich die Zügel los, und Larki kam auf mich zu. Instinktiv wich ich zurück. Rin lachte erneut. »Stadtmädchen, hab Vertrauen. Keine Angst. Das Pferd ist ein Freund, ein Gefährte,
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