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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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war damals zwar schon recht gut gewesen, aber diese Formulierung kannte er offenbar nicht. Dann gab sie beiden Männern zur Begrüßung die Hand.
    Motjaba nickte ihr zu, blieb aber stumm.
    «Er ist noch nicht lange hier und spricht nur wenig Deutsch», sagte Farid zur Erklärung. «Wenn du nichts dagegen hast, gehen wir spazieren und unterhalten uns ein wenig.»
    «Klar.»
    Andrea zeigte in Richtung Osterdeich, an dem sich ein Fußweg entlang der Weser schlängelte, aber Farid schüttelte den Kopf.
    «Ich wurde gern woanders gehen.» Er sah sie eindringlich an. «Ich hatte dir ja gesagt, dass ich weggehe aus Bremen. Vorher will ich meinem Bruder aber noch einen Ort zeigen, der für mich sehr wichtig ist. Ich habe mir extra die Auto von einem Freund geliehen. Wenn es okay ist, dann können wir beides verbinden», sagte er vorsichtig.
    Andrea Voss zögerte.
    «Wir bringen dich naturlich zu dein Auto wieder zuruck», fügte er mit einem Blick auf den Smart hinzu, den Andrea Voss versehentlich so abgestellt hatte, dass er gleich zwei Parkplätze blockierte.
    Widerstrebend stieg Andrea in den Wagen. Farids Bruder setzte sich hinter ihr in den Fond des Fahrzeuges. Verstohlen schaute die Journalistin auf die Uhr. Hoffentlich würde die sentimentale Abschiedstour von Farid nicht zu lange dauern. Außerdem wäre sie lieber allein mit ihm gewesen.
    Der junge Afghane hinter ihr wirkte verschlossen.
    «Und seit wann bist du in Deutschland?», wandte sie sich an ihn, um die Stille im Auto zu durchbrechen.
    Farid antwortete für seinen Bruder. «Er versteht dich nicht. Wie gesagt, er ist erst ein paar Wochen hier.»
    Während sie parallel zur Weser in Richtung Westen fuhren, fragte Farid nach ein paar früheren Mitbewohnern aus der Wohngemeinschaft. Aber Andrea Voss hatte zu keinem von ihnen mehr Kontakt. Sie verzichtete bewusst darauf, das Gespräch sofort auf Paghman oder die Polizei zu bringen. Sie mussten erst wieder warmwerden miteinander, bevor sie die heiklen Themen ansprechen wollte.
    Sie fuhren durch Utbremen und Walle. Doch Farid lenkte den Wagen nicht, wie Andrea Voss erwartet hatte, in das Kleingartengebiet, sondern fuhr weiter geradeaus.
    In blumigen Schilderungen erzählte er, wie er sich in den vergangenen Jahren über Wasser gehalten hatte.
    Andrea hörte aufmerksam zu. Erstaunt stellte sie fest, dass er während ihrer gemeinsamen Zeit in der Wohngemeinschaft ein besseres Deutsch gesprochen hatte. Vermutlich war er seitdem viel mit Afghanen zusammen.
    Als sie das Arbeiterviertel Gröpelingen passiert hatten, unterbrach sie seinen Redefluss. «Wo fahren wir eigentlich hin?»
    Doch statt einer Antwort entgegnete Farid nur geheimnisvoll: «Lass dich uberraschen. Es ist eine ganz besondere Ort.»
    Aufmunternd blinzelte er ihr zu und bog im selben Moment von der Hauptstraße nach links in eine kleine Straße ab, die parallel zu einem wenige Meter hohen Deich verlief. Es war Jahre her, dass Andrea sich in diese abgeschiedene Ecke Bremens auf einer Radtour verirrt hatte. Nach rund 150 Metern hörte die enge Bebauung entlang der Landstraße auf. Nur noch einige alte Gehöfte tauchten in der Landschaft auf. Die Monotonie der weiten Wiesen wurde von vereinzelten, kleinen Gehölzen zu ihrer Linken unterbrochen.
    Nach zehn Minuten kam ihnen erstmals ein Fahrzeug entgegen. Sie mussten rechts ranfahren, um dem Trecker Platz zu machen.
    Farid wirkte in sich gekehrt. Andrea empfand das Schweigen im Wagen von Moment zu Moment beklemmender.
    «Einsame Gegend hier», sagte sie, nur um etwas zu sagen.
    «Ja, hier ist es einsam», wiederholte Farid mit unbewegter Miene. «Sehr einsam sogar.»

[zur Inhaltsübersicht]
    24
    Chris Lorenz schaute durch die Scheibe des Cafés und beobachtete eine junge Mutter, die sich mit einer schweren Tasche und einem quengelnden Kind an der Hand abmühte. Das
Viertel
, wie die Bremer den Stadtteil liebevoll nannten, erinnerte sie an Hamburg-Altona. Wie an einer Perlenschnur reihten sich Kneipen, Restaurants und Boutiquen entlang der mit Kopfsteinen gepflasterten Straße. Alle paar Minuten ratterte eine Straßenbahn an dem Café vorbei und zwang selbst die Fahrradfahrer, stehenzubleiben oder sich dicht an den abgestellten Wagen vorbeizuschlängeln.
    Chris Lorenz hatte sich in einem der Geschäfte in den schmalen Seitengässchen eine extravagante Strickjacke gekauft. Nicht gerade günstig, aber genau der Stil, nach dem sie lange vergeblich gesucht hatte. Sie holte die Jacke hervor und betrachtete sie

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