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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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schließlich nach Hause kam, rührte er ihr Essen nicht mehr an. Angeblich war er nicht mehr hungrig. Enttäuscht hatte sie das Gericht jedes Mal in den Kühlschrank gestellt und am nächsten Tag weggeworfen. Dieses Mistweib, diese Schlampe!
    Kalte, abgestandene Wut stieg in Sigrid Werlemann auf.
    Die Trennung hatte weh getan. Trotz allem, was zwischen ihnen stand. Aber nicht für die Scheidung hasste sie Klaus, sondern für seinen monatelangen Betrug. Und für ihre eigene Dummheit, ihm vertraut zu haben.
    Die Eifersucht nagte lange an ihr. Doch Britta, die schlanke, schöne Britta mit dem vulgären Lachen, war ein halbes Jahr später bei einem Verkehrsunfall in Luxemburg ums Leben gekommen. Das hatte Christine ihr erzählt. In der Nacht, nachdem sie die Nachricht von ihrer Tochter erhalten hatte, schlief Sigrid Werlemann seit langem das erste Mal wieder durch.
    Natürlich war Klaus nicht zu ihr zurückgekehrt. Tatsächlich hatte er sich schon bald wieder mit einer anderen getröstet. Aber Sigrid Werlemann hätte ihn auch nicht zurückgenommen.
    Klaus hätte nachts an ihrer Tür kratzen können. ‹Ich hätte ihn nicht hereingelassen›, sagte Sigrid Werlemann immer wieder zu sich selbst.
    Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass er ihre Hilfe benötigen würde, dass er nur einmal auf sie angewiesen wäre. Zumindest diesen einen Sieg hätte sie sich gewünscht. Immer wieder hatte sie sich die unterschiedlichsten Situationen ausgemalt: Klaus, verletzt am Straßenrand. Klaus, der bei Spekulationen alles verlor und darum bat, ein paar Wochen bei ihr unterschlüpfen zu dürfen. Klaus, der mit einer tödlichen Diagnose vom Arzt kam. Sie hätte ihn abblitzen lassen.
    Noch immer spürte sie diese unbändige Wut in sich, wenn sie an Klaus dachte.
    «Wenn du richtig wütend bist», hatte ihr Vater einmal vor langer Zeit bei einem Streit behauptet, «kannst du einem Angst machen.»
    Sie hatte es wie eine heimliche Auszeichnung empfunden: die stille, duldsame Sigrid. Und plötzlich hatte man Angst vor ihr.
    Eine schöne Vorstellung.
    Entschlossen stand Sigrid Werlemann auf. Sie musste den Freitagnachmittag nutzen. ‹Erst die Terrasse, dann die Fensterscheiben›, dachte sie und ging zur Tür.
    Langsam verblasste Klaus wieder. Stattdessen tauchte jetzt die dunkelhaarige Kripobeamtin vor ihrem inneren Auge auf. Was hatte diese Frau Petersen gesagt? Wenn sich der Attentäter bei der Firma melden würde, würde die Nachricht als Erstes über ihren Schreibtisch gehen. Die Beamtin ahnte also, dass der Attentäter an
EvG-Technology
schrieb.
    ‹Vielleicht hinterlässt Hasso von Germershausen ja morgen eine Nachricht in der Zeitung›, dachte Sigrid Werlemann hoffnungsvoll, trat hinaus und griff zum Besen. Sie fegte einen Haufen Blätter zusammen und warf sie in die Mülltonne. Dann ging sie wieder hinein und begann, die Fenster vom Gästeklo, der Küche und Christines früheres Kinderzimmer zu putzen. Anschließend holte sie frisches Wasser und nahm sich die große, rautenförmige Scheibe in der Wand zwischen Flur und Wohnzimmer vor. Klaus hatte sie im Jahr vor seinem Auszug einbauen lassen, damit mehr Licht ins Haus fallen sollte. Sie entdeckte einen Handabdruck an der Scheibe. Christine, mal wieder!
    Mit Druck rieb sie über die Scheibe. Bei den von Germershausens wäre so ein Fleck undenkbar, dachte Sigrid Werlemann und musste an die Frau ihres Chefs denken. Gesine von Germershausen war eine so beherrschte Person, immer perfekt gestylt, immer akkurat frisiert. Doch auch sie konnte ihren Mann offensichtlich nicht halten.
    «Die werden weitermachen», hatte die Polizistin gesagt.
    So wie die Männer, die ihre Frauen betrogen, fügte Sigrid Werlemann für sich hinzu und rieb noch heftiger.
    Mit einem Mal knackte die Scheibe unter ihren Fingern. Verständnislos starrte Sigrid Werlemann auf den Riss im Glas. Und plötzlich schien ein heißer Strahl durch ihren Körper zu schießen.
    Sie sprang auf, griff sich den Hocker, der immer neben dem Telefontisch stand, und schleuderte ihn mit Wucht in die Scheibe. Das Glas zersplitterte in tausend kleine Stücke.
    Aufgeschreckt durch den lauten Knall, flatterte der Papagei in seiner Voliere im Wohnzimmer herum. «Lore lacht, Lore lacht», krächzte der Vogel. Zwei Worte, die Klaus ihm ständig vorgesprochen hatte, anstatt mit ihr, seiner Frau, zu reden.
    «Lore lacht, Lore lacht.»
    «Sei still!», brüllte Sigrid Werlemann.
    Sie rannte zu dem Käfig und schüttelte ihn heftig. Starr vor Schreck

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