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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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krallte sich der Papagei an den Gitterstäben fest.
    Einen Augenblick sah Sigrid Werlemann sich selbst wie aus der Ferne. Eine Frau, die einen Käfig mit einem verängstigten Papagei in den Händen hält, ihn in die Höhe hebt und kurz davor ist, ihn mit voller Wucht auf den Boden zu schmettern.
    Der Vogel gab einen kläglichen Laut von sich, der Sigrid Werlemann an einen verletzten Menschen erinnerte.
    Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Schwer atmend schnappte sie nach Luft und stellte den Käfig mit zitternden Händen wieder auf den Beistelltisch zurück. Sie strich hilflos an den dünnen Gitterstäbchen entlang, während der Papagei sich in der äußersten Ecke seines Käfigs verkroch und sie von der Seite ängstlich beäugte.
    Wie in Zeitlupe drehte sich Sigrid Werlemann zu der zerstörten Scheibe herum. Überall am Boden lagen Scherben. Sie ging in die Hocke und las die größeren Splitter mit der Hand auf. Als sie sich dabei ins Fleisch schnitt, wusste sie nicht, was angenehmer war: der kurze, intensive Schmerz oder das warme Blut, das über ihren Handballen lief. Sie sah die roten Tropfen, wie sie ihre Spuren im Teppich hinterließen. Langsam wich die Anspannung von ihr.
    Sigrid Werlemann setzte sich auf den Boden, umklammerte ihre angewinkelten Knie und fing an, lautlos zu weinen.

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    22
    Steenhoff sah auf seine Uhr. Es war kurz nach 16 Uhr.
    ‹Das ist der letzte Versuch›, versprach er sich insgeheim selbst. Danach würde die Sonderkommission alles auffahren, um die Journalistin und den Afghanen ausfindig zu machen.
    Wieder wählte er die Handynummer von Andrea Voss und lauschte angestrengt.
    «Hallo! Das ist die Mobilbox von Andrea …»
    Steenhoff presste die Lippen zusammen und unterbrach die Verbindung. Petersen sah ihn gespannt an.
    «Nichts?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein, ihr Handy ist noch immer abgeschaltet.»
    Er versuchte es unter Farids Nummer. Erleichtert stellte er fest, dass es klingelte, aber niemand ging ran.
    Steenhoff sah sich in seinem vollbesetzten Büro um. Michael Wessel, Hans Jakobeit und Petersen warteten auf seine Entscheidung.
    «Okay», seufzte Steenhoff. «Michael, du rufst die Staatsanwaltschaft an. Lass auf jeden Fall die Begriffe Katalogstraftat und Paragraph 100 a der Strafprozessordnung fallen. Navideh, du benachrichtigst die Kollegen vom Mobilen Einsatzkommando. Wir brauchen sofort einen IMSI -Catcher. Am besten aus Niedersachsen. Das Team ist am schnellsten da.»
    Petersens linke Augenbraue ging fragend nach oben.
    «Der IMSI -Catcher täuscht gegenüber dem Handy eine Basisstation vor», fasste Steenhoff kurz zusammen. «Mit ihm kann man ein Gerät genau lokalisieren. Das Ding führt aber oft zu Störungen im Funkverkehr. Außerdem ist es unglaublich teuer, deswegen müssen wir es uns von anderen Dienststellen ausleihen. Der IMSI -Catcher kann aber nur in der Nähe des Handys eingesetzt werden. Zuvor müssen wir das Handy also geortet haben. Und das machen wir mit einer stillen SMS . Die Telefonüberwachung von Farids Handy läuft schon seit heute Mittag.»
    «Und wie funktioniert das?», erkundigte sich Petersen. Sie fühlte sich plötzlich unwohl in der Runde. Offenbar kannten sich alle anderen mit dieser Technik aus.
    Hans Jakobeit räusperte sich. «Das würde ich auch gern wissen.»
    Petersen warf ihm einen dankbaren Blick zu, jedoch ohne dass der Kollege es registriert hätte.
    «Stille SMS sind Kurzmitteilungen, die nicht als normale Textnachrichten registriert werden und deren Empfang sie dem Nutzer nicht wie üblich im Display melden. Sie quittieren den Empfang nur gegenüber dem Netz. So erzeugen unsere Leute Verbindungsdaten beim Mobilfunkprovider, die der Provider uns dann umgehend zur Verfügung stellen muss», sagte Steenhoff.
    «Die Staatsanwaltschaft wird sicherlich mitmachen», warf Wessel ein. «Aber wie lange wird es dauern, bis wir einen richterlichen Entscheid haben?» Er klang skeptisch.
    «Mit dem Hinweis ‹Gefahr in Verzug› brauchen wir darauf nicht lange zu warten», erwiderte Steenhoff und erhob sich.

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    23
    Andreas Augen suchten ungeduldig den Parkplatz ab.
    20 Minuten stand sie jetzt schon vorm Weser-Stadion. Farid war nirgends zu sehen. Eben erst hatte sie einem Dunkelhaarigen mit schlaksiger Figur auf der Deichkrone zugewunken. Doch als der Mann näher kam, erkannte sie ihren Irrtum. Der Unbekannte war höchstens 20 Jahre alt, vermutlich Türke. Sie rief ihm etwas von

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