Schattenschmerz
Geschäftsführer der Hilfsorganisation telefoniert. Was er nicht verstand, war, wieso er den Einbruch nicht angezeigt hatte.
«Sie mussten doch sicherlich ein neues Schloss kaufen oder das Türblatt reparieren», fragte Steenhoff, als er den Mann ans Telefon bekam.
«Nein, die Tür hatte zwar ein paar Kratzer, aber das Schloss war nicht kaputt», erklärte der Geschäftsführer. «Der Schaden war minimal, dafür lohnt sich eine Anzeige und der Aufwand mit der Versicherung nicht. Einer unserer Mitarbeiter hat anschließend noch eine zusätzliche Verriegelung eingebaut. Und als weiteren Schutz für unsere Büros und den Schulungsraum bestehen wir seitdem darauf, dass die Außentür des Hauses nachts immer zweimal abgeschlossen wird.»
«War die Außentür denn beschädigt?»
«Nein. Soweit ich weiß, nicht.» Der Mann machte eine Pause. «Aber wissen Sie, vor dem Einbruch wurde die Tür von den anderen Mietern nur zugezogen. Die konnte man mit etwas Geschick leicht aufbekommen.»
«Und für Ihre Räume muss der Einbrecher offenbar einen Schlüssel gehabt haben.»
Der Geschäftsführer reagierte entrüstet. «Nein, das schließen wir aus.» Verärgert fügte er hinzu: «Ich habe schon zu einem meiner Mitarbeiter gesagt, er hätte das Ihrem Kollegen gegenüber gar nicht erwähnen sollen. Unsere kleine Hilfsorganisation gerät damit völlig unnötig in den Fokus abstruser Verdächtigungen.»
«Bei Ihnen ist eine DM -11-Mine gestohlen worden!» Steenhoff hielt seinen Ärger nur mühsam zurück. «Ein halbes Jahr später stirbt ein Mann bei einem Sprengstoffattentat in einem Bremer Park. Wenige Meter neben der Sprengfalle finden unsere Leute eine Mine ohne Sprengstoff im Boden vergraben. Und nun raten Sie mal, welcher Typ? Eine DM -11!»
«Wissen Sie, wie viele zigtausend von diesen Minen produziert und verkauft werden?», gab der Geschäftsführer giftig zurück. «Sie konstruieren einen Zusammenhang, wo es keinen gibt.»
Vergeblich versuchte Steenhoff, noch etwas über die vier ausgeschiedenen Mitarbeiter herauszufinden. Doch der Geschäftsführer behauptete, sie persönlich nicht gut zu kennen. Auch konnte er nichts zu Verbindungen zwischen Mitarbeitern der Organisation und Bremen sagen. «Da müssten Sie die Leute schon selbst fragen. Ich bin niemand, der andere bei der Polizei anschwärzt.»
Steenhoff verzichtete auf den erneuten Hinweis, dass sie in einem Tötungsdelikt ermittelten. Er nahm sich vor, selbst nach Berlin zu fahren und die einzelnen Mitarbeiter von
HFA
-Direkt
zu befragen, falls die Ermittlungen zu den vier ehemaligen Helfern sie nicht weiterführten.
Bis zum frühen Nachmittag hatten sie zu drei der vier früheren Mitarbeiter einen ersten telefonischen Kontakt bekommen.
«Die haben eher verwundert als nervös reagiert», stellte Jan Schneider fest, als er Steenhoff von den Gesprächen berichtete. «Ich fahre mit Frederike nachher ins Wendland zu dem Anästhesisten. Den Bauingenieur in Osnabrück übernimmt Fabian. Ich denke, den Mann in der Schweiz stellen wir erst mal hintenan, oder?»
«Ja, lasst uns erst mal denen, die in Deutschland wohnen, auf den Zahn fühlen.»
Die Internistin, die nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan nach Stuttgart gezogen war, lebte nicht mehr an ihrer Meldeadresse.
Steenhoff bat Hans Jakobeit, die Stuttgarter Polizei mit einzubinden. «Die sollen einen Streifenwagen zur angegebenen Adresse schicken. Vielleicht weiß der Nachmieter, wo die Frau jetzt wohnt.»
Hans Jakobeit nickte und stand auf. Gerade als er aus dem Zimmer gehen wollte, drehte er sich noch einmal um. «Frank, wir sind seit vielen Jahren Kollegen», sagte er mit fester Stimme und sah Steenhoff dabei ruhig an. Ein leises Zittern im Unterkiefer verriet jedoch seine Anspannung.
Steenhoff zuckte fragend die Schulter. «Ja, und?»
Jakobeit atmete laut aus: «Dann behandel mich bitte nicht, als hätte ich erst gestern hier angefangen.» Er wartete nicht ab, ob Steenhoff etwas erwidern würde. Mit zwei Schritten war er bei der Tür und ging hinaus.
Verblüfft starrte ihm Steenhoff hinterher. Seit er mit Jakobeit zusammenarbeitete, hatte sich sein Kollege nie beschwert oder ihn kritisiert. Er versuchte, sich die Situation noch einmal genau in Erinnerung zu rufen, aber sein knurrender Magen lenkte ihn ab.
Steenhoff bestellte für sich und drei seiner Kollegen Pizza und für Navideh Petersen einen großen Salat. Eine halbe Stunde später meldete sich der Pförtner bei Steenhoff: «Eure
Weitere Kostenlose Bücher