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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Hause. Der Mann vom Schlüsseldienst brauchte keine zwei Minuten, um die Tür zu öffnen. Er warf einen mäßig interessierten Blick in die Wohnung, verabschiedete sich von den Beamten und lief das dunkle Treppenhaus hinunter.
    Die Wohnung bestand aus drei winzigen Zimmern, einer kleinen Küche und einem Bad, in dem die Fliesen unterm Fenster herausgebrochen waren. Zwei große, noch feuchte Wasserflecken in der Decke zeugten von einem undichten Dach.
    Vorsichtig stießen die Beamten Tür für Tür der Wohnung auf. Statt eines ordentlichen Bettes lag nur eine Matratze auf dem Boden des Schlafzimmers. Eine halbleere Kaffeetasse stand daneben. Die Wände waren kahl. Ein Bücherregal, das aussah, als habe es jemand auf dem Sperrmüll gefunden, stand in einer Seite des Raums. Es reichte nicht aus, um alle Bücher aufzunehmen, sodass sie in Zweierreihen in die Fächer gestellt waren. Die restlichen Bücher lagen einfach obendrauf. Bis auf die Bücherwand und einen neuen Computer im Nebenzimmer war die Wohnung spartanisch eingerichtet.
    «Ich denk, die ist Ärztin», sagte Wessel verwundert. «Wieso haust die hier wie ’ne arme Studentin?»
    Petersen gab Steenhoff ein Zeichen, dass sie vor dem Haus warten wollte, um Maren Krohn abzufangen. Die Fahndung nach der Ärztin lief bereits.
    Ein silberfarbener VW Polo war auf ihren Namen zugelassen. Steenhoff vermutete, dass sie in ihrem Wagen unterwegs war. Es würde eine Frage von wenigen Stunden sein, bis sie die Frau endlich vor sich sitzen hätten. Gespannt trat er an den Computer, der zu seiner Überraschung noch eingeschaltet war. Auf dem Desktop war eine norddeutsche Herbstlandschaft abgebildet.
    Steenhoff klickte den Ordner «Eigene Daten» an. Das Fenster, das sich auftat, war übersichtlich sortiert. Maren Krohn schien ihre privaten und beruflichen Dinge alle per Computer zu regeln. Dafür sprach auch, dass er in den Zimmern kaum Unterlagen oder Aktenordner entdeckt hatte. Zwei Dutzend Stichworte wie «Arbeit, Wohnen, Bank, Verdienst» kennzeichneten die unterschiedlichen Dateien. Außerdem hatte sie für Freunde und Verwandte extra Ordner angelegt. Willkürlich öffnete er ein paar Dateien, stieß aber auf nichts Ungewöhnliches.
    Sie würden den Computer mitnehmen und von vorne bis hinten durchforsten. Selbst wenn sie irgendwelche geheimen Dateien noch so geschickt versteckt hätte, seine Kollegen würden sie finden.
    Während sich Wessel das Bücherregal vornahm und Hans Jakobeit die Schränke in der Küche durchsah, öffnete Steenhoff einen Internetbrowser und klickte auf «Verlauf». Maren Krohn hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihre Bewegungen im Internet zu löschen. Immer wieder waren Seiten, die sich mit dem Konflikt in Afghanistan beschäftigen, aufgerufen worden. Unter manchen Seitennamen konnte sich Steenhoff nichts vorstellen, sodass er sie nacheinander aufrief. Er sah, dass die Ärztin zwei Wochen zuvor Google Maps eingegeben hatte, und klickte ebenfalls auf das Fenster. Mit Hilfe der Maus zoomte er sich näher heran. Sein Puls beschleunigte sich: Das geschwungene Tor zu einer imposanten Auffahrt und die weiße Mauer erkannte er sofort.

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    40
    Hasso von Germershausen genoss den Wind, der über seine Oberschenkel strich. Er war schneller als sonst unterwegs. Auf gerader Strecke zwischen den Fleeten kam er mit seinem Rennrad auf fast 40 Stundenkilometer.
    Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Doch ihm war dank seines Unterhemdes aus Kunstfasern, das er unter dem Trikot trug, nicht kalt. Endlich konnte er sich richtig auspowern. Weder Regen noch Wind hielten ihn davon ab, einmal in der Woche seine große Runde durchs Niederblockland zu starten. Er war die Strecke so oft in den vergangenen Jahren gefahren, dass er inzwischen überzeugt war, jedes Haus und jeden Baum zu kennen. Auf vielen Abschnitten seiner Route war er meist völlig allein. Vom Kirchweg, einer schnurgerade schmalen Straße durch die Wiesen, bog er in den Sebandsgraben Richtung Lesum ein. Wenige Minuten später fuhr er durch einen Tunnel unter einer Kreisstraße hindurch.
    Der Wind hatte gedreht und schob ihn jetzt vor sich her. Hasso von Germershausen fühlte, wie sein Kopf angenehm leer wurde. Auch heute kam ihm niemand auf der einsam gelegenen Strecke entgegen. Berauscht von seiner eigenen Geschwindigkeit, trat er noch kräftiger in die Pedalen.
    Zu spät nahm er das silberfarbene Auto wahr, das aus einem Stichweg hinter ein paar niedrigen Bäumen auf den

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