Schattenschwestern - Feehan, C: Schattenschwestern - Conspiracy Game
sie bereits Stunden im Flugzeug verbracht, wurde Jack jetzt klar. Er hatte nicht erwartet, dass sie so mitteilsam sein würde. Sie traute ihm nicht. Und sich selbst auch nicht. Das sagten ihm die Schatten in ihren Augen. Jedes Mal, wenn er sie berührte, zuckte sie ein wenig zusammen, obwohl sie sich bemühte, vor ihm zu verbergen, wie unbehaglich ihr zumute war.
»Lass uns ins Haus gehen«, drängte er.
Briony legte beide Hände schützend auf ihren Bauch. Das Baby war der einzige Mensch, der ihr geblieben war, ihr einziger Verbündeter, ihr einziger Angehöriger. Schon jetzt konnte sie Trost aus der Anwesenheit des Kindes schöpfen.
Jacks Hand spannte sich um ihr Handgelenk. »Mir gefällt es, dass du telepathische Fähigkeiten hast.« Er liebte die Intimität dieser Verständigung mit ihr, die ihm so vertraut war. Jack und Ken hatten Telepathie eingesetzt, so weit er zurückdenken konnte, und für ihn bedeutete diese Form der Kommunikation, dass jemand zur Familie gehörte.
Sie drehte ihre Hand in dem zaghaften Versuch, ihn dazu zu bringen, dass er sie losließ. Er schien es nicht zu bemerken. »Ich kann vieles«, sagte sie. »Im Moment aber bin ich in allererster Linie müde. Ich muss mich ausruhen. « Sie musste dringend allein sein.
Er wandte sich wieder zum Haus um und zog an ihrem Handgelenk, um sie dazu zu bringen, dass sie ihm folgte. »Bleib auf dem Pfad.«
»Du hast dein Anwesen mit Sprengfallen versehen?«
Er zuckte die Achseln. »Ich mag keine Besucher.«
»Das ist lächerlich. Jemand, der hier zeltet, könnte versehentlich auf dein Grundstück spazieren, ohne zu merken, dass es nicht Teil des Nationalparks ist.«
»Du meinst tatsächlich, sie würden die zweihundert Schilder nicht bemerken, die Ken überall aufgestellt hat?«
Ein Anflug von Humor schwang in seiner Stimme mit, doch seine Gesichtszüge blieben ausdruckslos.
Sie blickte lächelnd zu ihm auf. »Ein Kind, das sich verlaufen hat?«
»Wenn ein Elternteil hier oben ein Kind verliert, dann ist das Kind ohne seine Eltern besser dran.«
»Du meinst doch nicht im Ernst, ihm wäre der Tod zu wünschen?« Sie stand erstarrt da und musterte ihn. Ihr Herz schlug viel zu schnell. Wenn er das ernst meinte …
Es konnte sein, dass sich für einen Moment Belustigung in seine Augen eingeschlichen hatte, aber wenn das der Fall war, dann war sie so schnell wieder verflogen, dass Briony nicht sicher sein konnte, ob sie sie tatsächlich gesehen hatte. »Es sind keine Todesfallen. Nur ein paar harmlose Dinge, um den Alarm auszulösen und jeden Nachbarn aufzuhalten, der sich Werkzeug borgen möchte.«
Erleichterung durchflutete sie. »Das passiert sicher häufig. Es ist ganz schön gemein, dass du mich so aufziehst.«
Soweit er sich erinnern konnte, hatte er außer Ken nie jemanden aufgezogen, aber es war ein gutes Gefühl. Und es war auch ein gutes Gefühl, Briony hier zu haben.
»Jebediah hat mir erzählt, dass ihr eineiige Zwillinge seid, Ken und du. Ist er dir sehr ähnlich?«
»Nein.« Jacks Stimme wurde barsch. Es war fast so, als könnte sie seine Gedanken selbst dann lesen, wenn er seine Barrieren errichtet hatte. »Er ist viel netter als ich. Du wirst ihn mögen.« Wieder verkrampften sich seine Eingeweide. Er hatte die Wahrheit gesagt. Ken war knallhart, aber er war schon immer der gesellige Zwilling gewesen, derjenige, der rücksichtsvoll und nett war. Die Leute fühlten sich ganz selbstverständlich zu Ken hingezogen, und er war wesentlich einfühlsamer als Jack. Jack respektierte und bewunderte nur wenige Menschen; Ken stand ganz oben auf seiner Liste. Er war nur noch nicht auf den Gedanken gekommen, Briony könnte Ken ganz oben auf ihre Liste setzen.
Er zögerte tatsächlich und blieb abrupt auf dem Pfad stehen, der zum Haus hinaufführte. Er konnte nicht auf seinen eigenen Bruder eifersüchtig sein. Das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Briony schien sein ganzes Denken in Unordnung zu bringen, wenn es so weit mit ihm gekommen war.
Was ist? Ken nahm Kontakt zu ihm auf, wie er es schon getan hatte, als sie noch Windeln trugen. Wenn einer von beiden in Schwierigkeiten geriet, wusste der andere es sofort.
Ich weiß es nicht. Ich muss mir über ein paar Dinge klarwerden.
Bringt dich das Baby aus der Fassung? Bist du vollkommen sicher, dass es deines ist?
Jack sah Briony ins Gesicht. Sie sah viel zu jung aus. Zu unschuldig. Sie war ebenso wenig mit einem anderen Mann zusammen gewesen wie er seither mit einer anderen Frau
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