Schattenschwestern - Feehan, C: Schattenschwestern - Conspiracy Game
Seth und Ruben und Jebediah werden jeden Moment da sein, und wir werden dich hier rausholen. Halt so lange still.«
Luther bewegte sich, um Tyrel besser in seine Schusslinie zu bringen. Briony durfte sich keine Zeit zum Nachdenken lassen, denn die Gefühle sämtlicher Männer bestürmten sie. Wut. Entschlossenheit. Luther strahlte Zerstörungswut aus – er war begierig darauf zu töten. Er war wirklich wütend auf sie, nicht wegen der Spritze, sondern weil die Vorstellung, Tony sei der Vater ihres Babys, seinem Geltungsbedürfnis auf irgendeine Weise einen Schlag versetzte. Das leuchtete ihr nicht ein, aber er strahlte es laut und deutlich aus.
Briony ging in die Hocke und sprang mit einem Satz auf das Dach, duckte sich, damit sie von unten nicht zu sehen war, rannte leichtfüßig los und sprang auf das nächste Dach und von dort aus auf ein weiteres. Von ihrem erhöhten
Aussichtspunkt konnte sie die Menschenmenge sehen, die sich um den Tigerkäfig versammelt hatte, und Randall, den anderen Dompteur, der in den Käfig gegangen war. Jebediah stand mit einem Betäubungsgewehr draußen vor dem Käfig, und der getroffene Tiger lag schwer atmend und mit schlaff herabhängendem Kopf da. Randall beugte sich gerade herunter, um Tonys Leiche von der großen Raubkatze wegzuziehen.
Gleich rechts unterhalb von Briony war Luther. Er lag flach auf dem Boden und hielt die Waffe mit ausgestreckten Armen in beiden Händen, entschlossen, Tyrel ins Visier zu bekommen.
Neben ihm fluchte und stöhnte Ron und hielt sich die Kniescheibe. »Ich glaube, mein Bein ist gebrochen. Sie hat mir das Bein gebrochen, Luther.«
»Du Idiot. Was glaubst du wohl, warum sie als Mutter für das Kind ausgewählt worden ist? Ich habe dich gewarnt, aber du musstest ja auf ihre großen braunen Augen reinfallen«, fauchte Luther verächtlich. »Geh zum Wagen, und lass den Motor an. Wir werden schnell von hier verschwinden müssen. Viel länger kann sie es nicht aushalten, und wenn ich ihren Bruder erschieße, wird sie restlos zusammenbrechen. Ich habe mich gründlich mit ihr beschäftigt.«
Luther hatte sich gründlich mit ihr beschäftigt? Er bildete sich ein, ihre Fähigkeiten und ihre Schwächen zu kennen? Briony wischte sich mit dem Handrücken das Blut aus den Mundwinkeln. Er hatte keine Ahnung, wie es um ihre Entschlossenheit stand. Der Mann würde ihre Brüder nicht töten, und ihr Baby würde er erst recht nicht bekommen. Sie legte sich flach aufs Dach und suchte Halt, während Wind und Regen auf sie einpeitschten und das Dach rutschig machten.
Briony konzentrierte sich auf die Waffe in Luthers Händen. Ron begann sich langsam einen Weg durch die Sträucher zu dem Auto zurück zu bahnen. Er zog sein Bein nach und fluchte bei jedem Schritt. Sie war nicht bereit, sich ablenken zu lassen, sondern hielt an einem einzigen Gedanken, an einer einzigen Handlung fest und richtete ihre gesamte Energie auf den Gegenstand aus Metall, den Luther so fest umklammerte.
Das Metall wirkte im Regen und in den Schatten dunkel, doch als sie es unerbittlich anstarrte, nahm es einen leichten Schimmer an. Luther fluchte plötzlich und ließ seine Waffe ins Gras fallen. Durch das Grau des Regens schimmerten Andeutungen von Gelb und Orange auf dem Metall. Luther sah sich um und lächelte plötzlich mit zusammengekniffenen Lippen. Du bist richtig gut. Besser, als wir dachten – oder gehofft hatten. Komm nach Hause, wo du hingehörst.
Die Stimme war gesenkt, und die Vibrationen, die durch ihren Körper zuckten, führten dazu, dass sich ihr der Magen zuschnürte. Sorge breitete sich in ihr aus. Was tat er? Es war ein Angriff, aber nicht auf sie, sondern … auf das ungeborene Kind. Hör auf. In ihrer Verzweiflung presste Briony eine Hand schützend auf ihren Bauch und klammerte sich mit der anderen an das Dach, um nicht abzurutschen.
Das Baby sollte meines sein. Komm mit mir, oder ich höre nicht auf, und das nutzlose Kind, das du in dir trägst, wird sterben.
Briony sparte sich jeden Einwand. Sie konnte Luthers Entschlossenheit fühlen. Er würde nicht aufhören, bevor er Briony hatte. Sie blockte die Furcht um das Baby und um sich selbst ab und konzentrierte sich wieder auf die Waffe.
Du solltest lieber auf mich hören. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Du warst mir versprochen – für mich bestimmt. Steig in den Wagen, oder ich töte deinen Bruder. Du weißt, dass ich es tun kann.
Die Waffe wand sich im Gras, begann sich vom Boden zu heben und fiel wieder
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