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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Hoffnung an, einen Weg zu finden, auf dem wir uns annähern konnten.
    »Wozu sollte das gut sein?« Shirins Stimme war dunkel und ungewöhnlich tief.
    Da musste ich erst einmal drüber nachdenken. Weil ich jemanden wie dich noch nie gesehen habe? Weil du so geheimnisvoll und fremdartig bist? Weil ich dich mag? Nun, all das stimmte, traf es aber noch nicht zu hundert Prozent. »Wenn ich etwas aufzeichne, hilft es mir, es besser zu verstehen. Man sagt doch auch: Sich ein Bild von jemandem machen.«
    »Und du willst mich verstehen?« In Shirins Worten schwang eine Mischung aus Vergnügen und Unglauben mit.
    »Ja«, sagte ich und bemühte mich, dabei möglichst selbstbewusst zu wirken. Was in Shirins Nähe gar nicht so leicht war. Auch wenn sie das bestimmt nicht wollte, kam ich mir wie die Sechzehnjährige vor, die ich war. Ein bisschen unbedarft und gleichzeitig eifrig darauf bedacht, gleichgestellt zu sein. Sofern das bei einer uralten Schattenschwinge überhaupt möglich war.
    »Was hältst du von einem Geschäft? Ich sitze dir Modell für eine Zeichnung, wenn du mir erzählst, wie du mit der Sphäre und mit dem Wissen zurechtkommst, dass Samuel eineSchattenschwinge ist.«
    Das klang nach keinem schlechten Deal. »Dass Sam nicht der Junge von nebenan ist, war mir schon immer klar.« Vollkommen offen erzählte ich ihr von meiner ersten Begegnung mit ihm und dem Eindruck, den er bei mir hinterlassen hatte. »Deshalb hat es mich auch nicht um den Verstand gebracht, als er mich in die Sphäre mitgenommen hat. Außerdem ist ein Junge mit Schwingen sehr viel besser als ein toter Junge.«
    Plötzlich vergaß ich meine Rede und starrte eine Fichte an, an deren Rinde sich Harz gebildet hatte. Nicht etwa ein Tropfen, um die Wunde des Baumes zu heilen. Es flossen ganze Rinnsale aus dem Stamm. Ein samtig schimmernder Fluss, der mitten in der Bewegung erstarrt war.
    »Bernstein. Form gewordene Vergangenheit.« Shirin nahm etwas von der zähen Masse zwischen ihre Finger und verrieb sie. »Wenn es ausgehärtet ist und entsprechend bearbeitet wird, ist es schwerer zu zerbrechen als jedes Metall.«
    »Das kann nicht sein«, erwiderte ich schwach, meiner eigenen Stimme nicht trauend. »Es ist doch nur Harz.«
    Shirin legte ihr Holzbündel ab und hielt mir ihre Handgelenke hin, um die sich breite Reifen schlangen. Sie glänzten dunkel und unter der spiegelglatten Oberfläche zeichneten sich Schlieren ab. Das Material fühle sich irritierend warm an, ganz anders als Metall. Lebendig, mit einem eigenen Willen. Hastig zog ich die Hand zurück, während sich Unbehagen in mir breitmachte. So schön die Reifen auch aussahen, ich hätte sie um keinen Preis tragen wollen.
    »Und ich könnte diesen bearbeiteten Bernstein nicht zerkratzen oder gar aufschneiden?«
    Shirin hatte ihre sinnlichen Lippen so fest aufeinandergepresst, bis sie nur noch zwei blasse Striche waren. »Wenn du diese Reifen von meinen Armen bekommen möchtest, musst du mir schon die Hände abhacken.«
    »Warum hast du sie dir dann angelegt?«
    »Wer sagt denn, dass ich sie mir angelegt habe?«
    Die Bitterkeit war nicht zu überhören. Wenn Shirin die Armreifen nicht freiwillig angelegt hatte - und es klang sehr danach -, dann bedeuteten sie bestimmt nichts Gutes. Womit sich ein weiteres dunkles Geheimnis der Sphäre andeutete. Trotzdem konnte ich keine Spur von Verzweiflung in Shirins Zügen entdecken, sondern nur Stolz. Vermutlich hatte sie sich mit diesen Reifen schon vor langer Zeit abgefunden.
    Während ich noch darüber nachsann, nutzte Shirin die Gelegenheit und streifte wie beiläufig meine Finger, als wir nach demselben Holzstück griffen. Ein weiches Seufzen kam über ihre Lippen und ihre Aura flammte dunkel auf. Während mir vor Verwunderung die Brauen zusammenrutschten, lächelte Shirin verlegen.
    »Tut mir leid. Es ist nur so lange her, dass ich eine Verbindung zur Menschenwelt gespürt habe. Es gab eine Zeit, da habe ich nichts sehnlicher gewünscht, als die andere Seite zu vergessen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich damit so erfolgreich gewesen bin.«
    »Sam sagte mir bereits, dass einige Schattenschwingen Menschen gegenüber nicht besonders freundlich eingestellt sind. Auch die Geschichte mit den Körperlosen klang nicht gerade beruhigend. Alles Menschliche würde diese Gestalten anziehen, aber nicht unbedingt auf eine gute Art.«
    »Da hat er recht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es klug von ihm gewesen ist, es dir gegenüber zu erwähnen. Warum dich

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