Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen
Thaibboxen-Trainings vielleicht mit einigen Blessuren überstanden. Was aber sollte ich einer solchen Waffe entgegensetzen, noch dazu in einem solchen Moment, in dem ich meine fünf Sinne immer noch nicht wieder richtig beisammenhatte?
Asami setzte zum Flug an, doch noch ehe seine Füße abhoben, wurde er zurückgerissen. In seinem Zorn war er so auf mich fixiert gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Kastor von hinten an ihn herangetreten war.
Obwohl Kastors Angriff von Jason abgeschwächt wurde, gelang es ihm, Asami so weit aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass ihm das Langschwert aus den Händen glitt. Auf Asamis Gesichtszügen flammte ein ungeahnter Schmerz auf, als er dem fallenden Schwert hinterherblickte. Dann wendete er sich Kastor zu, dem es gelungen war, Jasons mächtige Arme abzuschütteln. Ohne zu zögern, gingen sie aufeinander los, während die übrigen Schattenschwingen die Terrasse der Ruine wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm verließen. Die schnellen zielgerichteten Bewegungen, mit denen Kastor und Asami sich attackierten, und die Geschicklichkeit, mit der sie Schlägen und Tritten auswichen, erinnerten mich daran, dass beide alten Kriegerkasten entstammten. Und ich hatte tatsächlich darauf gehofft, mit meinen knapp drei Jahren Kampfsport gegen jemanden wie Asami bestehen zu können.
Obwohl Kastor seinem Gegner durchaus gewachsen war, gelang es Asami schließlich, ihm einen harten Handkantenschlag gegen den Unterarm zu verpassen. Das Knacken von Knochen war bis hinunter auf den Hof zu hören. Kastor taumelte zurück. Bevor er stürzte, bekam er Asamis Handgelenk zu fassen. Angesichts seines Sieges ließ Asami ihn gewähren, auch wenn ihm die Berührung des anderen sichtlich zuwider war.
»Wenn du kämpfen willst, dann auf faire Art und Weise«, brachte Kastor zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Unter der dunklen Haut war er blass vor Schmerzen geworden. »Wenn Samuel kein Schwert hat, dann wirst du auch keins benutzen. Alles andere werde ich nicht zulassen.«
»Ich will ihn nicht töten.« Trotz seiner Worte sah Asami Kastor mit Respekt an, während seine Brust sich von der Anstrengung des Kampfes hob und senkte. »Ich will dafür sorgen, dass er nicht länger die Menschenwelt besuchen kann. Wenn dieser Aufrührer an die Sphäre gebunden ist, dann ist diese ganze Diskussion beendet. Ich will den Bannspruch vollenden, darum geht es mir.«
Kastor zuckte zusammen, als habe er einen weiteren Schlag erhalten. »Keiner von uns weiß, was der Spruch bewirken soll. Das könnte ungeahnte Folgen haben, es könnte Samuel sogar töten!«
»Unsinn! Es ist ein Bannspruch, um ihn vom Wechseln abzuhalten. Juna ist sich dessen vollkommen sicher.«
Wieder wollte Kastor auf Asami losgehen, doch der war schneller: Mit einem kräftigen Hieb schlug er Kastor nieder. Ohne sich weiter um den am Boden Liegenden zu scheren, hob er das Schwert auf, den Mund zu einer harten Linie verzogen, als ekelte es ihn, die gefallene Waffe wieder aufzuheben. Dann schwang er sich über den Sims der Ruine.
Im selben Augenblick setzte ich ebenfalls an, um ihm in der Luft zu begegnen. Der Zorn, der glühend in mir brannte, gab mir die Kraft, diesem Mistkerl trotz seines Schwerts entgegenzutreten. Ich würde ihm ein für alle Male klarmachen, dass er kein Recht hatte, über mich oder jemand anderen zu bestimmen. Doch es gelang mir nicht aufzusteigen. Ich kam nicht einmal dazu, meine Schwingen auszubreiten. Mehrere Hände zerrten mich zurück, gruben Fingernägel in mein Fleisch, packten brutal zu und glitten an meiner bloßen Haut ab.
Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Versammlung auf dem Hof in einen Hexenkessel verwandelt. Die widersprüchlichen Gefühle, die die Schattenschwingen so lange unterdrückt hatten, explodierten. Mit Asamis gewaltsamem Übergriff waren alle Schranken niedergerissen worden und die Versammlung, die bis eben noch aus nichts anderem, als stillschweigenden Zeugen bestanden hatte, zerfiel in zwei Lager: in diejenigen, die Asami in seinem Ansinnen unterstützten, und in jene, die, aus welchen Gründen auch immer, eine solche Erbarmungslosigkeit verhindern wollten. Von einem Moment zum anderen brach ein schonungsloser Kampf aus, mit mir im Auge des Sturms.
Hinter mir hörte ich Shirin einen lautstarken Fluch ausstoßen, den ich nicht verstand. Ich wollte mich umdrehen, ihr zu Hilfe eilen. Doch schon im nächsten Moment wurde ich niedergerungen, ohne eine Ahnung zu haben, wer mich da
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