Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen
habe?«, fragte ich Shirin leise, als sie sich nach der Landung hinter mir aufgebaut hatte, als wolle sie mir Deckung geben. Oder sich hinter meinem Rücken verstecken.
»Manche sind nicht besonders glücklich darüber, dass du ihnen gegen ihren Willen eine Nachricht zukommen lassen konntest. Besonders die Körperlosen dürften das als eine Demonstration deiner Überlegenheit ansehen, schließlich halten sie sich viel darauf zugute, dass sie sich für die meisten von uns Schattenschwingen so gut wie unsichtbar machen können.«
Das war ja wirklich beruhigend. Offensichtlich verfügte ich über die Gabe, so ziemlich jeden aus der Sphäre gegen mich aufzubringen. Wenn nicht wegen meiner menschlichen Freundin, dann, weil ich die Fähigkeit besaß, diejenigen zu kitzeln, bei denen es eigentlich gar nichts mehr zu kitzeln gab.
In diesem Moment spürte ich, wie die Körperlosen sich der Versammlung näherten und ihre durchscheinenden Finger nach mir ausstreckten. Oder vielmehr nach jenem Teil von mir, den Mila immer meine »Aura« nannte, der mir jedoch eher wie ein Körperteil vorkam, vergleichbar mit meinen Schwingen. Die Berührung gefiel mir ganz und gar nicht, aber ich biss die Zähne zusammen und ließ sie über mich ergehen. Schließlich hatte ich ja denselben Trick benutzt, um sie hierher zu lotsen. Da war es nur fair, wenn ich nun stillhielt.
Jetzt, während die Körperlosen mich umschwärmten, begriff ich zumindest, warum einige Schattenschwingen meine Nachricht mit einer solchen Vehemenz abgelehnt hatten: Dieser Art der Berührung wohnte etwas sehr Körperliches inne, auch wenn unsere Aura eher ein Energiefeld war. Und wer lässt sich schon gern von Fremden berühren? Was auch immer die Körperlosen dadurch in Erfahrung brachten, einige von ihnen besänftigte es, andere brachte es noch mehr gegen mich auf. Wie bei einem Glockenschlag verlor sich die Berührung und sie stoben auseinander, um sich an den Rändern der Versammlung zu platzieren. Ihre Berührung war nicht nur äußerst unangenehm gewesen, sie ließ mich auch geschwächt zurück, als hätten die Körperlosen meine Wahrnehmung eingedämmt. Ich kam mir vor, als säße ich plötzlich unter einer Glaskuppel, abgeschnitten von mir selbst und den übrigen Schattenschwingen. Doch verflüchtigte sich dieser Eindruck schon wieder.
Ich drehte mich um und wollte etwas zu Shirin sagen, da bemerkte ich, dass sie nicht länger hinter mir stand. Genau wie die anderen war sie vor mir zurückgewichen und sah mich mit einem fast ehrfürchtigen Ausdruck an - auch wenn das bei ihr kaum vorstellbar war. Als würde sie Schutz bei ihm suchen, hatte sie sich an die Seite von Lorson, dem Jäger, gedrängt, einem schlanken, jung aussehenden Mann mit Bart und langem rotbraunem Haar. Shirins Reaktion brachte mich aus dem Konzept - ein denkbar schlechter Zeitpunkt, den jemand anderes sofort auszunutzen wusste. In einiger Entfernung erklang Applaus.
»Für jemanden, der sich der Menschenwelt so verbunden fühlt, war das eben keine schlechte Leistung. Die wenigsten hier würden sich wohl freiwillig einer solchen Prüfung unterziehen und dabei stehen die älteren Schattenschwingen den Erhabenen wesentlich näher als ein Neuzugang wie du.« Obwohl Asami seine Stimme nicht sonderlich angehoben hatte, schall sie klar zu mir herüber. Er stand hoch aufgerichtet mit weit ausgebreiteten Flügeln auf der Ruine und schaute auf mich herab. Sein langes schwarzes Haar bewegte sich im Wind, der mit der Nacht aufkam.
»Erhaben - nennst du so die körperlosen Schatten, die sich lediglich am Rand unserer Versammlung wohlfühlen?« Ob nun erhaben oder körperlos - diese Schattenschwingen waren nicht mehr als Reste ihres früheren Ichs. Egal, welche Gaben sie beim Zurücklassen ihres Körpers erhalten hatten, sie standen außerhalb des Zentrums.
»Natürlich.« Die Antwort kam Asami so glatt von der Zunge, dass es unmöglich eine Lüge sein konnte. Er hielt die Körperlosen tatsächlich für die besseren Schattenschwingen. »Schließlich sind sie uns allen voraus, die wir uns an unsere menschliche Hülle klammern, anstatt den nächsten Schritt zu tun. Wir sind wie Küken, die sich weigern, endlich die letzten Eierschalen abzustreifen.«
»Wenn dir das Menschliche so zuwider ist, warum lässt du es dann nicht einfach hinter dir, Asami? Aber du solltest nicht so ohne weiteres über die richten, die das Menschliche an sich nicht ablehnen.«
Mit einem Schlag spannten sich sämtliche Muskeln in
Weitere Kostenlose Bücher