Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
sofort wieder. Die Sonne, oder aus welcher Energiequelle auch immer sich das Weiße Licht speiste, wirkte stärker als jede Droge. Sie löschte alles aus, verbannte jedes unangenehme Gefühl, jede schmerzende Erinnerung und hinterließ nur reines Weiß. Ich wollte unbedingt mehr von dieser Reinheit, selbst wenn mich das Licht aufzehrte. Mein ganzes altes Leben, zu dem ich nicht wieder zurückkehren konnte, würde weggebrannt werden. Endlich.
    Da legte sich plötzlich ein Schatten über mich. Zwei Hände packten meine Oberarme und ich schrie auf, weil die Berührung schlimmer brannte als Feuer. Ich wollte mich wehren, wurde jedoch mit einer enormen Kraft zurückgedrängt, bis die magische Anziehungskraft des Lichts nachließ. Verzweifelt versuchte ich, mich zu befreien, doch es gelang mir nicht einmal, den Griff der Hände ansatzweise abzuschütteln. Ich war schlicht zu erschöpft dafür.
    Nachdem die Strahlkraft des Weißes nachgelassen hatte, verflüchtigte sich auch das Bedürfnis, mich ihm zu überlassen. Ich wehrte mich nicht länger gegen die Arme, die mich nun umschlungen hielten, sondern überließ mich ihnen freiwillig, zu ausgelaugt, um auch nur meine Schwingen zu öffnen.
    Als der Wind wieder einsetzte, wollte ich meine brennenden Augen öffnen - nur, um festzustellen, dass sie längst geöffnet waren. Ich sah nur Weiß. Um Gottes Willen, ich war geblendet! Verzweifelt versuchte ich nun doch, meine Arme freizubekommen, als würde alles wieder gut werden, wenn ich meine Augen nur berührte. Doch wer auch immer mich hielt, wusste, was er tat: Ich kam keinen Zentimeter frei.
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, hörte ich eine männliche Stimme dicht an meinem Ohr sagen. »In ein paar Stunden ist alles wieder gut. Es sei denn, du kämpfst weiterhin gegen mich an, dann lasse ich dich ins Meer fallen. Und da hole ich dich bestimmt nicht wieder raus. Ich kann Wasser nämlich nicht ausstehen.«
    Ehe ich etwas erwidern konnte, schlug die Erschöpfung wie eine Flutwelle über mir nieder und riss mich mit sich. Als ich wieder aus der Besinnungslosigkeit auftauchte, war das Erste, was ich wahrnahm, kaltes Nachtlicht, von einer Klarheit, die ich in meinem früheren Leben nie für möglich gehalten hätte. Nach und nach zeichneten sich einige Sterne am Himmel ab, wie ich beruhigt feststellte. Ich hatte dieses Sternenbild einige Mal vorm Einschlafen beobachtet, nur, um festzustellen, dass es vollkommen verschieden war von dem in meiner alten Heimat. Die Sterne waren nicht nur anders angeordnet, sondern kamen mir auch zum Greifen nah vor. Als wäre man dem Himmel ein Stück näher.
    Nun, zumindest funktionierten meine Augen also wieder. Außerdem erkannte ich nach und nach die Umrisse einiger Baumkronen über mir. Ich war also nicht länger draußen über dem Meer - auch dieser Gedanke gefiel mir. Mühsam erforschte ich meinen Körper, darauf gefasst, jederzeit von den Schmerzen meiner verbrannten Haut heimgesucht zu werden. Doch nichts geschah. Nur an meinen Oberarmen pulsierten nach wie vor die Stellen, an denen die Hände des Fremden mich gepackt hatten. Es war ein ähnliches Gefühl, wie wenn man zu lange ein Stück Eis berührt und das Taubheitsgefühl bereits nachgelassen hat. Als ich mich hastig aufsetzte, überkam mich ein Schwindel, der jedoch sogleich vergessen war, als meine Schwingen sich ohne Verzögerung ausbreiteten und auch einziehen ließen.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass alles wieder gut wird.« Es war dieselbe Stimme, die bereits draußen auf dem Meer beruhigend auf mich eingeredet hatte.
    Obwohl alles in mir vor Neugier darauf brannte, mir diesen Fremden anzuschauen, zögerte ich. Die ganze Zeit - wie lange das auch immer sein mochte - war ich allein gewesen. Zwar hatte ich mich bei meinen Erkundungsflügen stets nur so weit von der Küste wegbewegt, dass ich vor Einbruch der Dunkelheit zurückkehren konnte, aber es war doch weit genug gewesen, um zu dem Schluss zu kommen, dass es außer mir in dieser Welt keine andere Menschenseele gab. Ich hatte mich allein gewähnt, eingeschlossen in meinem eigenen Universum, das so wild und schön war, als hätte eine Glücksfee mir meine persönliche Traumlandschaft gezaubert: der altvertraute Küstenlandstrich ohne einen Ort namens St. Martin, so, wie er vielleicht vor ein paar Jahrhunderten gewesen sein mochte, bevor die Menschen anfingen, ihn nach ihren Vorstellungen zu formen. Nun sah es jedoch mit einem Mal so aus, als wäre dieses Paradies

Weitere Kostenlose Bücher