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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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haben sollten, es schon eine Ewigkeit her sein musste. Der Eindruck, ich wäre im Paradies gelandet, änderte sich erst, als ich auf eine Grenze meiner neuen Heimat stieß - und im selben Augenblick wurde auch die Selbstvergessenheit, hinter der ich mich verschanzt hatte, mit einem Schlag beendet.
    Wie schon in den Tagen zuvor zog ich meine Kreise hoch oben am Himmel. Unter mir brachte der Sommerwind den Wellengang dazu, lebhafter zu rauschen, als er es an einem heißen Nachmittag eigentlich tun sollte. Zum ersten Mal seit meinem Sturz fragte ich mich, welcher Monat es mittlerweile sein mochte. Juni? Juli? Oder vielleicht doch schon August? Das Zeitgefühl war mir offensichtlich vollständig abhandengekommen, falls es hier so etwas wie Zeit überhaupt gab. Ich konnte ja nicht einmal sagen, wie lange der Zusammenstoß mit meinem Vater zurücklag. Unwillkürlich flackerte die Erinnerung an Jonas’ Angriff vor meinem geistigen Auge auf. Ich verlor kurz das Gleichgewicht und stürzte einige Meter taumelnd ab, bevor ich mich knapp vor dem Meeresspiegel wieder gefangen hatte.
    Nachdenklich musterte ich das Wellenspiel, das mich einerseits magisch anzog und mich andererseits in Angst versetzte, seitdem ich durch den Meeresspiegel in diese seltsame Welt eingetreten war. Ein wundervolles Gefängnis, keine Frage, allerdings ohne einen Ausgang, was so viel bedeutete wie »Rückkehr in die Menschenwelt ausgeschlossen«. Das hatte ich auf die unangenehme Tour lernen müssen, als der Schatten mich gefangen gehalten hatte. Doch darüber wollte ich auf keinen Fall nachdenken. Allen Anstrengungen zum Trotz brauchte es mehrere Anläufe, bis ich die Erinnerung beiseitegeschoben hatte. Immer wieder wollte sie sich mir aufzwingen und mir vor Augen führen, wie quälend es sich anfühlte, in der Mitte entzweigerissen zu werden: Ich hatte meine Schwingen gewonnen und ein Leben, das meiner Natur entsprach. Dafür hatte ich Mila verloren und mit ihr die Chance, trotz meiner Andersartigkeit einen Platz in der Menschenwelt zu finden und glücklich zu sein. Auch wenn ich mich hier - wo auch immer »hier« sein mochte - zum ersten Mal vollständig fühlte, war ich mir nicht sicher, ob ich mich für diese Art von Leben entschieden hätte, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Falls man bei meinem jetzigen Zustand überhaupt von Leben sprechen konnte.
    Nach einigen weiteren vergeblichen Versuchen gelang es mir endlich, meinen Kummer fortzuschieben, doch dem Flug über das schäumende Wasser wohnte nicht länger etwas Befreiendes inne. Ein Blick in Richtung Westen zeigte mir, dass ich mich weiter als sonst vom Festland entfernt hatte, denn es war nicht einmal mehr als ein Schatten am Horizont zu erkennen. Ich musste weit in Richtung Süden abgedriftet sein, denn die Sonne, die hier stets hinter einer Dunstschicht verborgen lag, sodass selbst am Tag ununterbrochen Zwielicht herrschte, brachte genug Kraft auf, um mich zu blenden. Von Neugierde getrieben flog ich weiter auf sie zu, mit den Händen notdürftig die Augen beschirmend, bis das gleißende Licht mit der Wassernaht verschmolzen war. Das Licht löste ein unerklärliches Glücksgefühl in mir aus, weshalb es mich nicht kümmerte, dass der Wind sich auf einen Schlag gelegt hatte und ich hart arbeiten musste, um voranzukommen. Meiner Hochstimmung zum Trotz schaltete sich schließlich ein Warnsignal in meinem Kopf ein. Denn das vielversprechende Prickeln, welches das Licht auf meiner Haut auslöste, konnte nicht länger überspielen, dass diese in Wirklichkeit zu verbrennen anfing. Mit der Helligkeit ging nämlich eine große Hitze einher.
    Ich wollte eine Kehrtwende machen, wusste aber nicht, in welche Richtung. Das Licht hatte alles in ein einziges gleißendes Weiß verwandelt, es gab kein Oben und Unten mehr. In meiner Verzweiflung zog ich die Schwingen ein, stürzte jedoch nicht ab. Es war, als schwebte ich in einem luftleeren Raum. Dafür spürte ich ein Reißen, als wäre ich nicht mehr als ein Stück Metall, das von einem überdimensionalen Magneten angezogen wird. Zuerst ganz sanft, wie aus großer Entfernung, kaum bemerkbar, aber dann immer verlangender.
    Obwohl ich es mit der Panik zu tun bekam, war ich zugleich geradezu euphorisch, stets aufs Neue das schmerzhafte Glühen vergessend, das mittlerweile meinen Körper überzog. Besonders schlimm war es am Rücken, als sollten die Zeichen meiner eingezogenen Schwingen getilgt werden. Doch so heftig die Schmerzen auch waren, ich vergaß sie

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