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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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einen aufregenden Schatz. »Sieht ganz so aus, als hätte ich mich einen Tick zu lange im Weißen Licht aufgehalten«, sagte er leise zu sich selbst.
    Die Minuten verrannen, während ich tief ein- und ausatmete, um den inneren Druck auszugleichen, der sich immer mehr in mir aufbaute. Zum ersten Mal gestand ich mir ein, dass ich tatsächlich geglaubt hatte, beim Sprung von den Klippen gestorben zu sein. Dass sich meine körperlichen Überreste mittlerweile in Fischfutter verwandelt hatten, während der unsterbliche Teil von mir in einem ganz persönlichen Eden gefangen war. Für immer und ewig, der Weg zurück in die Menschenwelt versperrt. So, wie es nach dem Tod sein sollte. Dieser Glaube hatte es mir überhaupt erst möglich gemacht, den Verlust meines alten Lebens hinzunehmen, zu akzeptieren, dass die Menschen, die mir nahegestanden hatten, verloren waren, dass Mila für mich verloren war. Aber die Erkenntnis, dass die sogenannte »Sphäre« keineswegs das Paradies war und ich offensichtlich alles andere als allein, änderte einiges. Wenn das hier nicht die Endstation war, dann musste es auch einen Weg zurück geben.
    »Kann man die Sphäre wieder verlassen?«
    Einen Moment lang betrachtete Kastor noch den Stein, dann warf er ihn ins schnell vorbeiziehende Wasser. Er richtete seine grauen Augen auf mich und seufzte. »Kann man. Aber es gibt einen Haken. Deshalb heißen die Wächter auch Wächter und nicht Lehrer.«
    »Was meinst du damit?«
    »Hör zu, Junge. Du brauchst einen Wächter, der wird dir alles erklären und dir die Regeln beibringen, nach denen wir in der Sphäre leben. Ich werde dich zu einem von ihnen bringen, aber eine Sache würde mich zuvor wirklich interessieren: warum keiner von uns deinen Eintritt in die Sphäre bemerkt hat. Auch jetzt kann ich dich nicht wirklich erreichen, als würdest du hinter einer durchsichtigen Wand stehen. Du hast mehr als Glück gehabt, dass ich dich vorhin im verbrannten Gebiet überhaupt wahrgenommen habe. Warum erzählst du mir nicht in Ruhe, wie dein Wechsel stattgefunden hat?«
    Ich nahm ihm das »Junge« übel, weil er höchstens zwei oder drei Jahre älter war als ich. Außerdem verspürte ich nur wenig Lust, ausgehorcht und anschließend an einen Wächter übergeben zu werden. »Vielleicht ein anderes Mal. Vielen Dank jedenfalls dafür, dass du mich aus diesem Licht herausgeholt hast. Die Grenzen der Sphäre haben es wirklich in sich«, sagte ich noch, während ich bereits meine Schwingen aufspannte.
    »Warte!«
    Zwar sagte Kastor es nicht als Befehl, aber es war klar, dass er Gehorsam erwartete. Nur wollte ich nicht gehorchen, genauso wenig, wie ich mich kontrollieren lassen wollte. Deshalb tat ich etwas, was ich zuvor schon bei Rufus getan hatte: Ich griff nach Kastor und schleuderte ihm ein deutliches »Nein« entgegen, ohne dafür meine Lippen bewegen zu müssen. Dann stieß ich mich vom Boden ab.
    Während ich über das Blätterdach des Laubwaldes stieg, in den Kastor mich gebracht hatte, begann sich ein Kribbeln auszubreiten, als würde jemand an einem Wintertag seinen Atem über meine verkühlte Haut hauchen. Ich wusste, was sich dort um mich herum ausbreitete: Jenes Strahlen, das mich stets als andersartig gebrandmarkt hatte. Seit meinem Eintritt in die Sphäre war es jedoch verloren gegangen, als hätte ich es gemeinsam mit meinen Gefühlen und Erinnerungen abgestreift, und erst jetzt loderte es wieder auf.
    Unvermittelt erreichte mich eine Frage: »Wenn du so interessiert daran bist, in die Menschenwelt zurückzugehen, warum hast du es dann nicht einfach ausprobiert?«
    Zuerst dachte ich, Kastor wäre mir gefolgt. Doch es war keine Spur von ihm über dem Blätterdach des Waldes zu entdecken. Da erst begriff ich, dass ich seine Stimme in mir widerhallen gehört hatte. Auf die gleiche Art, wie ich ihn abgewiesen hatte. Es funktionierte wie ein Ball, den man zugeworfen bekommt und auffängt - ob nun willentlich oder nicht. Und das Fangnetz war jenes Strahlen.
    Reglos verharrte ich im Nachtwind, unschlüssig, wie ich mich verhalten sollte. Sollte ich diesem Kastor den Rücken zukehren und somit auf sein Wissen verzichten? Oder sollte ich das Risiko einer Bevormundung durch einen Wächter eingehen und dadurch mehr über mich und meine Fähigkeiten lernen? Schattenschwinge - dieser Begriff durchkreuzte unentwegt meine Gedanken. War es das, war ich das? Wenn ja, dann gehörte ich offenbar zu dieser Gruppe. Und wollte ich wirklich vor denen davonlaufen, die

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