Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Schnaufen von Rufus erklang. »Mann, der macht einfach gar nix. Seit gestern Abend stellt der sich scheintot. Wachkoma. Ich glaub, der atmet nicht einmal ordentlich. Hockt bloß da und spielt in einer Endlosschleife diesen gottverdammten Song, von dem ich mittlerweile Pickel kriege. Scheiß Element of Crime . Ich habe sogar schon mit dem Gedanken gespielt, kurzerhand das Stromkabel zum Wohnwagen zu kappen. Aber dann hätte er vielleicht doch noch mit der Heulerei angefangen, und das ist so ziemlich das Letzte, worauf ich jetzt kann.«
Ich hörte Rufus draußen vor der Wohnwagentür nach Luft schnappen, um seine Litanei fortzusetzen, aber jemand fuhr ihm in die Parade.
»Also echt, darauf kann ich auch nicht«, erklärte Ranuken mit gequältem Unterton. »Ich mein: Das ist Sam, der heult doch nicht. Das hast du doch nur so dahergesagt, oder? Sonst ist das hier nichts für mich. Ich flenn nämlich immer
gleich mit. Wenn es um kaputte Liebe geht, bin ich dicht am Wasser gebaut. Dieses Lied, das er da hört, ist übrigens total schön. Und so passend … Ich werde nie mehr so rein und so dumm sein wie weißes Papier .«
Aus reinem Selbstschutz wollte ich erneut alle Sinneseindrücke aussperren, aber dann erreichte mich eine andere vertraute Stimme, die mich sogar das Drücken der Return Taste vergessen ließ.
»Unterlass gefälligst das Singen, Ranuken. Die ganze Situation ist schon elend genug.«
Asami war in die Menschenwelt gewechselt.
»Wie nett.« Ranukens Stimme war pure Ironie. »Solltest du mir nicht wenigstens ein Stückchen dankbar dafür sein, dass ich dich hierher gebracht habe?«
»Die Bemerkung war freundlich gemeint. Möchtest du meine ehrliche Reaktion auf deine Gesangskünste erfahren? «
»Ho ho ho, immer schön locker bleiben. Diese Kiste könnt ihr beiden ja miteinander ausmachen, sobald ich die Kurve gekratzt habe.« Rufus klang leicht verunsichert. Vermutlich fühlte er sich in Asamis Gegenwart alles andere als wohl. Ähnlich erging es sicherlich kleinen Krabbelwesen, die ständig befürchten mussten, dass jemand Großes mal eben auf sie drauftrat … schon deshalb, weil er für Krabbeltiere nur Verachtung übrig hatte. Asami eben. Angesichts der Tatsache, dass Rufus Asami zuletzt beim Duell mit mir gesehen hatte, wunderte es mich allerdings, dass er nicht noch viel nervöser war. Respekt. »Sagt Sam, wenn er wieder ansprechbar ist, er soll sich das Ganze nicht so zu Herzen nehmen. Mila hat schlicht überreagiert. Jetzt gibt sie zwar die tragische Heldin, die bereit ist, ihre Liebe dem Wohl der Menschheit zu opfern, aber wahrscheinlich muss er ihr nur gegenüberstehen, damit sie sich ihm wieder an den Hals
wirft. Dann ist die Auszeit, von der sie geredet hat, garantiert ruckzuck vorbei.«
Nun horchte ich endgültig auf, obwohl ich mir nicht allzu viele Hoffnungen machte.
»Ich weiß nicht«, bestätigte Ranuken auch sogleich mein Misstrauen. »Mila ist zwar völlig von der Rolle, aber sie hat sich bestimmt ziemlich genau überlegt, was sie da tut. Einfach bloß so ’ne Überreaktion auf Sams Kosten wäre grausam – und grausam ist Mila nicht. Außerdem war das, was Lena zugestoßen ist, ja auch ganz schön krass. Egal, ob Sam was dafürkann oder nicht. Shirin und ich werden bestimmt auch bald in Sippenhaft genommen und bekommen Hausverbot. Ist doch klar: keine Schattenschwingen, kein Ärger. Und das Schlimme daran ist, dass Mila damit recht hat. So was wie mit Nikolai darf nicht passieren.«
Ich presste meine Stirn gegen die Knie, bis der Druck in meinem Inneren einem physischen Schmerz wich. Nur ganz kurz, aber zumindest brachte es etwas Erleichterung. Ich war nicht gut darin, mir selbst Verletzungen zuzufügen, nur war ich noch schlechter darin, die Trennung von Mila zu akzeptieren. Die leere Stelle in mir schmerzte eindeutig mehr als alles andere.
Als ich wieder aufsah, streckte Ranuken gerade die Hand nach mir aus. Er hatte sich mit verquollenen Augen und Schniefnase aufs Bett gehockt und streichelte mir unbeholfen über den Kopf. Allein diese Geste sorgte dafür, dass ich nicht sogleich wieder abblockte. Fast überkam mich das Bedürfnis, ihn zu trösten. Der arme Kerl. Offenbar ging ihm all das sehr zu Herzen.
Asami hingegen stand neben dem Bett. Zu seinem Hakama trug er ein schwarzes Shirt mit einem Glitzerkometen auf der Brust. Das musste Ranuken von irgendeiner Wäscheleine
geklaut haben. Humor hatte der kleine Bursche, das musste man ihm lassen. Mit dem Teil wäre Asami
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