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Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Titel: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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berühren verstand – sich in eine Pforte in die Welt der Schattenschwingen verwandelte. Meine Heimat. Zumindest noch für eine Schonfrist.
    Nachdenklich betrachtete ich die Pforte des Schattens. Worin auch der Kern seines Wesens bestehen mochte, er war dem Weißen Licht entkommen. Schon vor langer Zeit, so viel stand fest. Aber wonach hatte er gesucht? Nach einem Körper, der ihn beherbergen konnte. Der Schatten hatte einen Platz zum Nisten gesucht. Und hier in St. Martin war er schließlich fündig geworden. Die Zeichen, die Jonas mir auf seine Einflüsterungen hin eingeritzt hatte … in der Sekunde, in der er den letzten Schnitt vollendet hätte, wäre er in mich
eingedrungen. Hätte in mir genistet und nach und nach meinen Körper übernommen, während meine Persönlichkeit ausgelöscht worden wäre. Allein bei der Vorstellung zog mein Magen sich zu einem festen Knoten zusammen. Trotzdem brauchte ich den endgültigen Beweis für meine Vermutung.
    Ich zog den Pullover aus und öffnete meine Schwingen, die sich mit der gleichen Freude öffneten, mit der ein Falke nach langer Gefangenschaft dem Himmel entgegeneilt. Dann überließ ich mich den Eindrücken, die mir meine Aura zuspielte. Wie von selbst verschmolz ich mit der Hinterlassenschaft des Schattens, dem wunderschönen Schimmern seines Traumstaubs. Kurz wunderte ich mich noch darüber, dass meine Aura tatsächlich zunehmend wie ein Körperteil funktionierte, das über eigene Reflexe verfügte, dann flackerten bereits erste Bilder auf. Abrisse von Erinnerungen … Schlaglichter in der Dunkelheit … zusammenhanglose Empfindungen strömten auf mich ein. Mir war, als würde ich in einer fremden Haut stecken. Nein, in einem fremden Geist. Meinen Körper nahm ich gar nicht mehr wahr. Ich war jemand, der zusah, wie die Tage verrannen. Sonnenlicht … Nacht … ein schlafender Mann … Geflüster … ein Schrei!
    Es war mein eigener, denn ich hielt diesen Zustand kaum noch aus. Doch dann, gerade als ich die Verbindung zum Traumstaub kappen wollte, flackerte eine Erinnerung so hell wie ein Blitz am Nachthimmel auf.

    Mit jedem Mal, wenn er die Pforte zu diesem von Alkohol und Wut verwirrten Geist durchschritt, wurde es einfacher. Ein ausgetretener Pfad war selbst im größten Dickicht leicht zu verfolgen. Und die Träume der Menschen waren ein Dickicht, in dem man nur allzu leicht verloren ging.

    Als die Falle damals zugeschnappt war, hatte er im letzten Augenblick gerettet, was noch zu retten gewesen war und hatte es durch seine Pforte geschleudert.
    Doch das bisschen von seinem Bewusstsein, das in das Traumreich der Menschen geflüchtet war, war nach der Berührung mit dem Weißen Licht verwirrt gewesen. Und seiner mühsam angehäuften Macht beraubt. Schließlich war er nur der Schatten seiner selbst gewesen, ohne eine nennenswerte Verbindung zu seinem Körper, der von Zeichen seiner Macht übersät war. Das Chaos, das in den Träumen der Menschen herrschte, hatte ihn beinahe ausgelöscht. So hatte es beschämend lange gedauert, bis ihm wieder klar geworden war, wer er überhaupt war. Und weit wichtiger: was er wollte. Trotzdem hatten die Träume noch lange Zeit seinen Weg bestimmt und nicht umgekehrt. Er war von einem schlafenden Kopf in den nächsten gespült worden, unfähig, einen Anker zu werfen. Erst in dem umnebelten Hirn von Jonas Bristol hatte er Halt gefunden.
    Angewidert blickte er auf den schnarchenden Mann. Das schäbige Zimmer, die Alkoholausdünstungen, die Träume, die sich ewig um die gleichen ermüdenden Gewaltphantasien drehten. Hierher hatte es ihn verschlagen, hier übte er, seine Kunst einzusetzen, auch wenn sie nach dem Verlust seiner körperlichen Form kaum an alte Ausmaße heranlangte. Nur ein Bruchteil seiner Machtfülle war ihm geblieben.
    Doch es gab keinen Grund zum Klagen! Er hätte letztendlich keinen besseren Träumer als diesen Säufer finden können. Denn eine Mauerbreite und gleichzeitig unendlich weit entfernt schlief jemand, der die perfekte körperliche Form für ihn bot. Es musste ihm nur noch gelingen, einen Weg zu finden, seine übrig gebliebene Macht in dieses Gefäß umzufüllen. Er hatte auch schon eine Ahnung, wie er das anstellen würde. Die Zeichen, mit denen er in seinem früheren Leben die Macht der anderen auf sich umgeleitet hatte, würde er dieses Mal verkehren: Sie würden einen
Eingang schaffen, damit er seine Macht auf den Jungen übergehen lassen konnte. Aber nicht, um sie zu verlieren. Nein, um sie neu

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