Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Gesicht zu sehen, woraufhin der schlafende
Engel ein äußerst verstimmtes Knurren ausstieß. »Mensch, Mama. Lass mich schlafen, ich bin k. o.«, nuschelte sie mit ihrer vom Salzwasser rauen Stimme.
»Immer so muffelig, wenn’s ums Wachwerden geht.« Zu meiner Belustigung flüsterte Frau Levander. Offenbar hatte Milas Kommentar sie auf eine Weise beruhigt, wie es keine von mir hervorgebrachte Erklärung vermocht hätte. »Würdest du dann bitte die Freundlichkeit haben, mich aufzuklären, Sam?«
»Wir sind ins Wasser gefallen«, berichtete ich wahrheitsgetreu.
»Wie fällt man denn um diese Jahreszeit bitte schön ins Wasser?« Ich konnte Frau Levander ihre Überforderung ansehen. Das war wirklich alles etwas viel auf einen Schlag. »Ach, Sam. Deine Kleidung ist ja auch ganz nass. Dir muss elend kalt sein. Na los, komm ins Haus. Sonst brichst du unter der Last unserer Schlafmütze noch zusammen.«
»Mila ist nicht zu schwer für mich.«
»Das glaub ich dir unbenommen. Sollte keine Kritik an deiner Männlichkeit sein. Ganz bestimmt nicht. Sag mal, bist du in den letzten Monaten gewachsen? Du siehst so groß aus.«
»Tatsächlich?« Fast wäre ich über meine eigenen Füße gestolpert, als wir in Richtung Eingang gingen. Denn ich hatte ernsthafte Probleme, Frau Levanders Gedankensprüngen zu folgen. Seit unserem letzten Treffen hatte ihr Redetempo jedenfalls keinen Deut eingebüßt. Auch jetzt plauderte sie fröhlich, wie schön es wäre, mich mal wieder zu sehen und so weiter und so fort. Kurz bevor ich vom Dauerbeschuss ihrer Freundlichkeit eingelullt wurde, traf mich beim Durchschreiten der Haustür eine mentale Nachricht von Kastor, bei der ich Mila so fest an mich drückte, dass sie aufstöhnte. Es war, als wäre ich in ein Netz gelaufen. So etwas bekam bestimmt nur Kastor hin.
Ich habe Shirin an einen sicheren Ort gebracht, sie wird es vermutlich überstehen. Hoffentlich. Lass mich wissen, was mit Nikolai und dem Schatten passiert ist, selbst wenn es das Letzte ist, was du als Schattenschwinge tust. Das schuldest du uns, Samuel.
Ja, das stimmte. Meine Freunde hatten es verdient, Bescheid zu wissen. Es brauchte nur noch dieses letzte Zeichen von mir, dann konnte die Sphäre getrost wieder in jene Starre verfallen, nach der sich viele ihrer Bewohner sosehr sehnten. Der Schatten, der sie bedroht hatte, war zusammen mit Nikolais Körper verglüht, es ging keine Gefahr mehr von ihm aus. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, holte ich die Erinnerung an den in Licht gehüllten Leib hervor und sendete dieses Bild aus. Dann verschloss ich mich. Falls eine Antwort kam, würde ich sie nicht hören.
Als ich wieder aufblickte, fand ich mich im Wohnzimmer wieder, wo Herr Levander mit einem Besen in der Hand stand. Offenbar hatte er der Ascheschicht den Kampf angesagt. Er begrüßte mich mit einem schlichten »Samuel«. Dabei klang er vollkommen tonlos, was jedoch nichts daran änderte, dass es wie ein besonders schlimmer Fluch rüberkam. Nun ja, besser als nichts.
»Daniel, nun leg endlich den Besen aus der Hand. Mila braucht ein warmes Bad. Ob du es glaubst oder nicht, unser Mädchen ist ins Wasser gefallen. Nimm sie Sam ab, bevor er sie nicht mehr halten kann. Nein, für Fragen ist jetzt keine Zeit, ansonsten holt sie sich noch eine Lungenentzündung.« Frau Levander hatte das Kommando übernommen, bevor ihr Mann auch nur mit der Wimper zucken konnte. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich diese Frau mochte.
Nachdem ich die allmählich zu sich kommende Mila ihrem Vater übergeben hatte, der mit ihr in die obere Etage eilte, blieb Frau Levander am Treppenabsatz stehen. »Na
los, komm schon mit. An unser Schlafzimmer grenzt ebenfalls ein Badezimmer an, das kannst du benutzen. Du brauchst doch auch dringend eine Ladung heißes Wasser, so geschlaucht, wie du aussiehst.«
»Das ist nicht nötig. Mir geht es gut«, bremste ich ihre Fürsorge aus. Dachte ich zumindest.
»Keine Diskussion, du tust, was ich dir sage. Mit Unterkühlung ist nicht zu scherzen.« Dass jemand so Freundliches einen solchen Durchsetzungswillen an den Tag legen konnte! Ich stand original stramm. »Daniel wird dir ein paar trockene Sachen bereitlegen, die ziehst du an und dann sehen wir weiter.«
Allein bei dieser Vorstellung lief es mir kalt den Rücken runter. Schließlich gehörten die nassen Klamotten, in denen ich drinsteckte, schon ihm. Was er hoffentlich nicht bemerken würde … Ich überlegte, ob ich mich mit einer weiteren
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