Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Weigerung würde durchsetzen können, gestand mir dann aber ein, dass meine Chancen schlecht standen. Vermutlich würde diese Frau mich ohne große Diskussionen packen und eigenhändig unter den warmen Wasserstrahl verfrachten. »Gut, einverstanden«, lenkte ich ein.
Frau Levander wartete ab, bis ich zu ihr aufschloss. »Wo steckt eigentlich Rufus? Nie ist er da, wenn man seine Hilfe braucht. Dafür wird er dieses Staubfiasko im Wohnzimmer eigenhändig aufräumen, das schwöre ich.«
Ich hatte die Dusche bereits vor gut fünf Minuten abgestellt und mich längst abgetrocknet. Nun stand ich im Wasserdampf und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Auf der anderen Seite der Tür konnte ich Herrn Levander rumoren hören. Als er plötzlich an der Tür klopfte, fuhr ich mit einem unterdrückten Fluch zusammen.
»Samuel, brauchst du noch lange? Ich habe ein paar Sachen für dich rausgelegt.«
Ja, toll. Dann tu sie doch einfach aufs Bett und geh raus, dachte ich gereizt.
»Ist alles okay bei dir?«
Klar doch – einmal davon abgesehen, dass ich vor nichts auf der Welt einen solchen Heidenrespekt hatte wie vor Milas Vater! Ich konnte es gar nicht erwarten, ihm unter die Augen zu treten. So von Mann zu Mann, damit er mir endlich klarmachen konnte, dass ich definitiv niemals wieder näher als auf hundert Meter an Mila herantreten würde. Und dann auch nur, wenn ich keinen großen Wert auf mein Leben legte. Wie leicht wäre es jetzt, ihm in guter, alter Schattenschwingen-Manier eine Erklärung für meine Wiederkehr einzuflüstern und hinterherzuschieben, dass er mich darüber hinaus unglaublich nett fand und sich keinen besseren Freund für seine Tochter vorstellen konnte als mich. Den Unruhestifter, der monatelang verschollen war und damit seine beiden Kinder unglücklich gemacht hatte. Den Kerl, der nicht einmal eine Idee hatte, womit er sich fortan über Wasser halten sollte, in einer Stadt, deren Bewohner ihn von morgens bis abends anstieren würden wie ein exotisches Tier.
»Und wenn schon«, erklärte ich meinem Spiegelbild. Dann schlang ich das Handtuch fest um meine Hüften und öffnete die Tür.
»Alles bestens bei mir«, sagte ich, als ich ins Zimmer trat. Zu meiner Überraschung fand ich mich auf Augenhöhe mit Daniel Levander wieder. Und zwar wortwörtlich. Ich musste in den letzten Monaten tatsächlich noch ein Stück gewachsen sein. »Wie sieht es bei Mila aus? Geht es ihr gut?«
Herr Levander nickte. »Zuerst hat sie sich furchtbar aufgeregt, als sie zu sich gekommen ist und du nicht da warst.
Aber nachdem wir ihr versichert haben, dass du gerade ebenfalls ein Aufwärmprogramm absolvierst, hat sie sich beruhigt. Sie ist sehr erschöpft und wäre eben im warmen Wasser fast wieder eingenickt. Sobald Mila trocken ist, wird Reza sie bestimmt ins Bett stecken, ob sie will oder nicht. Was habt ihr nur angestellt? Du siehst nämlich keinen Deut besser aus als sie. Vollkommen mitgenommen und ausgelaugt. Nur mit dem Unterschied, dass du noch einige üble Blutergüsse abbekommen hast«, fügte er gnadenlos hinzu.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wir hätten wohl beide gut auf dieses Bad im Meer verzichten können.«
Zuerst sah es so aus, als würde Herr Levander sich mit meiner ausweichenden Antwort nicht zufrieden geben, aber dann siegte wohl sein Mitleid. Mit der Hand deutete er auf die Kleidung, die er auf dem Bett bereitgelegt hatte. Nicht ohne mich zuvor noch einmal gründlich zu mustern.
»Vermutlich sind die Hosen zu weit, also nimm die Trainingshose, bei der ist es egal. Die Oberteile dürften kein Problem sein, wenn ich dich so ansehe. Deine roten Turnschuhe habe ich übrigens in den Trockner gesteckt. Könnte sein, dass sie endgültig auseinanderfallen, die sind ja bereits ordentlich zerfleddert. Aber ich dachte mir, das Risiko gehen wir ein, schließlich willst du ja wohl kaum barfuß herumlaufen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Meine Barfuß-Zeiten sind endgültig vorbei.«
»Gut das zu hören.«
Während ich nach den Hosen griff, ging Herr Levander zum Fenster hinüber und blickte hinaus. Offenbar war er nicht gewillt, mich allein zu lassen, während ich mich anzog. Dabei hatte ich überhaupt nicht vor, mich klammheimlich aus dem Staub zu machen. Ich war gekommen, um zu
bleiben. Bei Mila, falls sie es wollte. Und zu Mila gehörten auch ihre Eltern, ob mir das nun schmeckte oder nicht.
Hastig schlüpfte ich in die Anziehsachen. Als ich fertig war, stellte ich mich neben Herrn Levander.
Weitere Kostenlose Bücher