Schattenseelen Roman
ein schönes Smaragdgrün, das auf Herzensgüte und Offenheit hindeutete, nur leuchtete es stumpf und wurde von dunklen Tönen überzogen - Angst und Schmerz, die er wohl zu unterdrücken versuchte. Adrián blendete die Aurawahrnehmung aus. Was auch immer diesen Burschen in der Vergangenheit so gebrochen haben mochte - es interessierte ihn nicht. Viel spannender war eine andere Frage: »Aus welchem Grund solltest du uns helfen wollen?«
»Ich habe es Kilian versprochen. Wenn ich dich rette, wird er mich retten.«
»Du lügst. Niemand auf der Welt hasst mich mehr als er. Kilian Ney würde mich niemals retten wollen.«
»Dich vielleicht nicht.« Mit dem Kinn deutete der Bursche auf Evelyn. »Aber sie. Beeil dich, wir haben nicht viel Zeit!«
Noch zögerte Adrián, als er an der Tür hinter sich jemanden mit dem Schloss hantieren hörte. Viele Auswahlmöglichkeiten hatte er nicht. Würde er hier sitzen bleiben, wäre sein Ende besiegelt.
Er steckte die Pistole in den Hosenbund und versuchte, Evelyn auf die Arme zu heben. Der Schmerz in seiner rechten Hand durchfuhr ihn so heftig, dass er glaubte, ihn Ohnmacht zu fallen. So ging das nicht. Aber wenn er einen Teil der Energie dafür benutzen würde, die Nervenbahnen der Hand zu blockieren, würde er keinen Schmerz spüren. In der Theorie zumindest, denn so etwas hatte er noch nie gemacht. Es
war gefährlich, auf diese Weise könnte er später die Kontrolle über seine Hand verlieren und sie nicht mehr bewegen. Egal. Evelyn herauszubringen war wichtiger. Er konzentrierte sich. Der Schmerz klang ab, bis er gänzlich verschwand. Die Finger fühlten sich taub an, als wären sie eingeschlafen. Adrián hob Evelyn auf die Arme und eilte zur Luke. Der Geruch nach Verwesung schlug ihm entgegen, als er sich dem Loch im Boden näherte.
Der Metamorph kletterte eine Leiter herunter. Die Lampen des Saals warfen einen schwachen Lichtkranz um ihn herum. Er streckte die Hände aus. »Gib sie mir.«
Adrián ließ Evelyns Körper hinuntergleiten, dann schlüpfte er selbst in die Lücke. Als er die Metallplatte über seinem Kopf zuschob, konnte er durch den Spalt sehen, wie die Bestien in den Saal drangen.
In der Dunkelheit, die ihn sogleich umfing, tastete er nach den Leitersprossen. Sich mit der tauben Hand festzuhalten fiel ihm schwer, aber langsam gewöhnte er sich daran, sie unter solchen Bedingungen zu gebrauchen. Endlich gelangte er nach unten und nahm Evelyn an sich. Der Metamorph knipste eine Taschenlampe an. Sie befanden sich in einem Raum, kaum größer als ein Aufzug. Von den Wänden wie in einem Sarg umschlossen spürte Adrián Panik in sich aufsteigen. Er verbat sich an die Enge zu denken, blendete alles aus, außer Evelyn. Der Kerl winkte ihm mit der Taschenlampe zu und schob sich um die Ecke, dann
ging er einige Stufen nach oben, bis er eine Tür erreichte.
Also los. Nicht an die Wände denken - einfach gehen. Als Adrián hinter ihm über die Schwelle trat, versanken seine Füße in etwas Weichem. Der Boden fühlte sich uneben an. Und dieser Geruch! Es kam ihm vor, als bewege er sich durch eine Suppe aus dichtem Fäulnisgestank.
» Carajo! Ist hier eine Horde Stinktiere verendet?«
Statt einer Antwort beleuchtete der Kerl die Wände, eine niedrige Decke und erst dann den Boden mit Leichen, wohin das Licht auch fiel.
»Das hier ist Linneas Entsorgungslager«, erwiderte der Metamorph matt. »Nachzehrer.«
Adrián verharrte, unfähig, auch nur einen Schritt zu tun. Der Kerl schubste ihn leicht in den Rücken. »Mach hier nicht einen auf Hamlet. Wir müssen los. Die anderen werden nicht lange rätseln, wohin wir verschwunden sind.«
Adrián schüttelte die Bestürzung ab. Denk an Evelyn! Nichts wie weg hier.
Es widerstrebte ihm, die Überreste von seinesgleichen mit Füßen zu treten, aber da er nicht fliegen gelernt hatte, gab es keine andere Möglichkeit, das andere Ende zu erreichen. Die Leichen verbargen den Boden weit unter sich.
Endlich gelangten sie zu einem Gang, der aus der Kammer führte. Adrián musste sich ducken, um nicht mit dem Kopf gegen die Decke zu stoßen. Hinter sich
vernahm er, wie die Metallplatte zum Zwinger gegen den Stein schlug. Ihre Verfolger waren dabei, in den Untergrund hinabzusteigen.
Der junge Metamorph fluchte. »Beeil dich!« Er zog Adrián am Ärmel weiter. Die Geräusche der Jäger kamen näher. Bald glaubte Adrián, den Atem der Feinde in seinem Nacken zu fühlen, doch er blickte nicht zurück. Evelyn an sich gepresst, hastete
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