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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Behausung. Automatisch blickte auch Kilian sich um. Besonders einladend sah seine Bleibe nicht aus - ein Fernseher, ein verblichener Teppich mit kahlen Stellen in der Mitte, auf dem ein zerkratzter Couchtisch stand. Eine Küchennische grenzte direkt
an die Wohnstube. Eine halbgeöffnete Tür erlaubte einen Blick ins Schlafzimmer, in dem eine Matratze mit einem Knäuel aus Kissen und der Decke das Bett ersetzte.
    »Ist das dein Hund?«
    Akash streckte sich auf dem Sofa und studierte den Jungen wie einen Einbrecher. Als er die Katze bemerkte, hob er die Lefzen und stieß ein Grollen hervor. Zum Glück beherrschte er sich genug, um sich nicht auf seinen Feind zu stürzen.
    »Hm.« Kilian setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und nahm das Kätzchen in den Schoß. Seine Finger fuhren durch das Fell und fühlten die Rippen unter der dünnen Haut. Jeder unvorsichtige Druck könnte die zarten Knochen brechen.
    »Darf ich deinen Hund streicheln?«
    »Nein.«
    »Beißt er?«
    »Ja, ganz besonders Jungs, die ihren Mund nicht halten können.« Kilian untersuchte das Kätzchen. Auf den ersten Blick konnte er nicht feststellen, was dem Tier fehlte. Schlaff sah es aus und hatte etwas Fieber. Eine Grippe vielleicht?
    Der Junge rutschte vom Sessel zu ihm auf den Boden. »Wieso lebst du hier so allein?«
    »Ich bin nicht allein. Ich habe Akash.«
    »Er sieht wie ein Wolf aus. Weißt du, dass die anderen dich deswegen ›Wolfsmensch‹ nennen? Sie sagen, du kannst mit Wölfen sprechen. Ist das wahr?«

    »Genau. Und bei Vollmond verwandele ich mich selbst in einen.«
    Die Augen des Jungen wurden tellergroß. »Echt?«
    »Nein!«
    Enttäuschtes Schweigen. Na endlich hielt der Knirps den Mund! Aber zu früh gefreut.
    »Meine Mama mag keine Tiere. Flipp habe ich in einer Scheune gefunden. Die Katzenmama hat ihn und seine Geschwister verlassen. Die anderen waren tot.«
    »Hör zu, wenn du willst, dass ich dir helfe, dann sei still.«
    »Bist du immer so böse?«
    »Ich bin nicht böse. Ich bin …« Er pustete sich die Strähnen aus der Stirn. »Okay, weißt du was? Lass deine Katze bei mir. Wenn ich in die Stadt fahre, bringe ich sie zu einem Tierarzt. Abgemacht?«
    Akash schenkte ihm einen Blick, als frage er sich, ob Kilian nicht ganz dicht wäre. Eine Katze in diesem Haus?
    Der Junge nickte. »Okay.« Neben der Couch entdeckte er eine Sonnenbrille und setzte sie sich auf die Nase. »Ich heiße übrigens Becker.« Er schaute über den Brillenrand. »Tim Becker.«
    »Schön für dich.«
    Ohne Vorwarnung durchbohrte ein heftiger Schmerz seinen Schädel, als steche jemand mehrere Nadeln in sein Hirn. Kilian schrie auf und beugte sich vornüber. Seine Muskeln verkrampften sich. Er konnte sich nicht
bewegen, so als hätten sich seine Glieder in Stein verwandelt.
    Der Anfall ließ nach, um wenige Sekunden später erneut zuzuschlagen. Die Krämpfe folgten immer schneller aufeinander. Sein Schädel drohte jeden Moment zu zerbersten. Kilian krümmte sich auf dem Boden und schrie vor Schmerzen. Aus seiner Nase sickerte Blut. Die Umrisse des Zimmers verschwammen, er sah …
    … die Schwangere, sie schob einen Einkaufswagen durch einen Supermarkt. Ein brauner Pullover schlabberte um ihren Körper, der Reißverschluss der Jeans stand offen und wurde mit einem Gummi zusammengehalten. Ihre angeschwollenen Füße steckten in Ballerinas, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Neben einem Obststand hielt sie an. Ihr Blick blieb an den grünen Trauben hängen, die im Licht noch saftiger erschienen. Der Preis ließ ihr mageres Gesicht zu einer leidigen Miene entgleisen. Verstohlen schaute sie sich um, riss eine Traube ab und schob sie sich in den Mund. Als wäre sie erwischt worden, eilte sie davon …
    Zitternd kam Kilian zu sich. Die Vision hatte die ganze Energie aus ihm gesaugt. Eine Weile lag er auf dem Rücken und fixierte die Glühbirne, die unter der Decke baumelte. Akash schlabberte ihm über das Gesicht. Kilian stöhnte und schob den Hund beiseite. Nach einer Weile fand er die Kraft, sich aufzurichten. Der Schmerz pochte in seinem Schädel. Übelkeit stieg
in ihm hoch, und er glaubte, sich übergeben zu müssen. Mit tiefen Atemzügen kämpfte er das Unwohlsein hinunter.
    Das Kätzchen lag neben dem Sofa und schaute blinzelnd zu ihm herüber. Der Junge war verschwunden. Kein Wunder, bei dem Anfall - ein grässlicher Anblick. Nicht umsonst achtete er darauf, sein Geheimnis zu hüten. Wenn er das Aufziehen einer Vision verspürte, zog er

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