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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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wie ein Drogensüchtiger seinen nächsten Schuss, und er wusste nur zu gut, dass ihm das bald nicht mehr ausreichen würde. Er erinnerte sich an Evelyns Gesicht, als sie ihm begegnet war. Wie gern hätte er herausgeschrien, er wäre gekommen, um sie zu beschützen. Er hatte den Totenküsser gewittert, sich auf den Kampf vorbereitet - und hatte der Kleinen noch mehr Schrecken eingejagt. Beim Anblick der Kreatur war ihm die Kontrolle über seine animalischen Triebe entglitten. Das Tier in ihm löschte den menschlichen Verstand völlig aus … und jetzt jagte es ihm Angst ein. War er im Blutrausch auf das Biest gestürzt? Seine Wut konnte er sich nicht anders erklären.

    An der Tür klopfte es. Zaghaft - eher ein vorsichtiges Kratzen als ein Klopfen. Kilian hielt den Kopf schräg. Er hörte das schnelle Atmen, roch die Menschenangst. Vermutlich die Kids aus der Siedlung, um dem ›Wolfsmenschen‹ einen Streich zu spielen. Er wünschte sich, die Dörfler würden ihn in Ruhe lassen. Sein Bungalow lag im Wald, weit abseits der anderen Häuser. Bei den Kids gehörte es zu den beliebtesten Mutproben, an seiner Tür zu klopfen. Meistens nachts oder spät abends. Was die Erwachsenen anging - die hätten ihn liebend gern auf einem Scheiterhaufen verbrannt - zu schade, dass es aus der Mode geraten war.
    Er beschloss, den Ruhestörer zu ignorieren, und trank in genüsslichen Zügen sein Bier.
    Es klopfte nochmal. Und ein drittes Mal. Es wollte einfach nicht aufhören. Was für ein hartnäckiges Pack! Kilian stand auf und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Ein Junge, etwa acht Jahre alt, machte einen Satz nach hinten.
    Eine Mutprobe, er hatte es doch gewusst! Aber der Knirps lief nicht fort, wie sonst üblich, sondern schaute Kilian durch die schwarzen Strähnen an, die ihm bis zur Nasenspitze reichten. Schmutz bedeckte sein Gesicht, der auf den Wangen und unter der Nase verwischt war, als hätte der Junge geweint. In seinen Armen kuschelte sich ein schwarz-weiß geflecktes Kätzchen.
    »Was willst du?«, knurrte Kilian, da das Gör offensichtlich
nicht vorhatte, irgendeinen Laut von sich zu geben.
    Der Junge starrte beharrlich auf das Pelzknäuel in seinen Armen, als fürchte er sich davor, aufzuschauen. Zugegeben, Kilians Erscheinung konnte man nicht gerade salonfähig nennen: unrasiert, mit verfilzten Haaren, in Boxershorts mit Piratenschädel-Aufdruck und einem Unterhemd, das den Großteil seiner leicht behaarten Brust zur Schau stellte.
    »Verschwinde«, blaffte Kilian und schaute den Jungen über den Rand seiner Brille an. »Du hast hier nichts verloren.«
    Er wollte die Tür zuknallen, als das Piepsen des Burschen ertönte: »Warten Sie!« Der Knirps streckte ihm die Arme mit dem Kätzchen entgegen. »Helfen Sie Flipp.«
    »Steht ›Tierarzt‹ auf meiner Stirn?«
    Der Junge bohrte mit der Schuhspitze im Sand. Man hätte denken können, er wolle sich eingraben und Wurzeln schlagen. »Sie sind doch der Wolfsmensch.«
    »Genau. Wolf. Hund. Wir haben es nicht so dicke mit Katzen.« So ganz stimmte das nicht. Obwohl er im Verlauf der Zeit einige Hundefähigkeiten von Akash erlangt und dafür seine menschliche Wahrnehmung zum Teil eingebüßt hatte, bedeutete das bei weitem nicht, dass er jeder Katze hinterherjagte.
    Das Kinn des Jungen begann zu zittern. »Ich weiß nicht, was ihm fehlt. Meine Mama erlaubt es mir
nicht, ihn zu behalten, und sie würde ihn nie zu einem Tierarzt bringen! Was, wenn er stirbt?«
    »Das passiert nun mal. So ist das Leben.«
    »Aber Flipp ist mein Freund!«
    Auch Freunde sterben, so wie die, die einem noch näherstehen. Manchmal werden sie gefoltert, und man muss hilflos zusehen, wie sie immer schwächer werden. Man kann nichts tun, als bei ihren letzten Atemzügen ihre Hand zu halten und zu lügen, dass alles gut wird. Kilian, Sebastian, Johannes - die drei Musketiere, von denen nur er übrig geblieben war.
    Mit gesenktem Kopf schlich der Junge den Sandweg zu einem grob gehobelten Balken zurück, der dem Grundstück mit dem provisorischen Drahtzaun als Tor diente. Kilian spürte Kummer, ein Gefühl, das er zu vergessen geglaubt hatte. Musste dieser Junge schon jetzt lernen, dass Freunde sterben können?
    »Warte!«, rief er. »Okay, ich schaue mir deine Katze an.«
    Der Junge machte abrupt kehrt und trottete hinter ihm ins Haus. Kilian räumte die Zeitungen von dem Sessel und deutete seinem kleinen Gast an, sich zu setzen.
    Vorsichtig ließ sich der Junge nieder und beäugte neugierig die

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