Schattenseelen Roman
war?«
»Die andere Bestie?«
Sie schnaubte. »Zuerst, ja. Er hat mich gewissermaßen zu ihr geführt. Wie auch immer, hast du ihre Spur entdeckt?«
Kilian taumelte zurück, bis er gegen eine Wand stieß. »Du musst dich irren. Ich glaube dir nicht! Sie ist keine Totenküsserin. Unmöglich!« Das Schwindelgefühl
kehrte wieder, der vorherige Kampf mit dem Mädchen forderte seinen Tribut. In seinen Gedanken herrschte Chaos. Er hatte doch eine Vision über Evelyn bekommen. Sie musste eine Verbindung zu Metamorphen haben, egal ob als Mensch oder eine seiner Art. Aber eine Totenküsserin? Niemals! Mit fahrigen Fingern strich er sich durch das Haar. »Sie hatte einen Geruch, sie war … lebendig! Ich …«
Ich liebe sie!, wollte er herausschreien, konnte sich aber im letzten Moment zügeln.
Linnea packte ihn an den Schultern. »Kilian, nein! Sie ist eine Mörderin, keine Frage. Lass dich von ihrem harmlosen Aussehen nicht täuschen!« Ihre Aufregung schlug auf ihr Seelentier über. Die Schlange zischte aufgeregt, und Kilian spürte die Schuppen seine Wange aufkratzen.
Nein. Seine Evelyn hier, zu diesem langsamen, qualvollen Tod verurteilt? Das konnte er nicht zulassen. Er musste beweisen, dass sie keine Totenküsserin war. Koste es, was es wolle.
Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er das Ausmaß seines Entschlusses begriff. Zum ersten Mal hatte er vor, sich seiner Königin zu widersetzen, seine Gemeinde zu verraten. Für die Liebe, die ihn womöglich sein Leben kosten würde.
10. Kapitel
N ach dem Gespräch mit dem Professor und nach allem, was sie erlebt hatte, wurde Evelyn das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Sie beschleunigte ihre Schritte, begann zu rennen und war erleichtert, die Villa endlich erreicht zu haben. Hier fühlte sie sich sicher und beschützt, etwas, was sie erst seit gestern kennengelernt hatte.
Das schmiedeeiserne Tor war zu. Natürlich. Evelyn stellte sich die Goth-Lady vor, die eine geschwungene Augenbraue hochzog und meinte: »Was hast du denn erwartet? Das hier ist kein Bahnhof.« Obwohl sie Maria erst seit gestern kannte, war die junge Frau mit ihrer schrulligen Präsenz allgegenwärtig.
Evelyn drückte auf die Klingel. Die Gegensprechanlage knackte, und Marias Stimme drang scheppernd und künstlich durch den Lautsprecher: »Schön, dich doch noch wiederzusehen. Dann rein mit dir. Und hör auf, in der Nase zu bohren.«
Zwar hatte Evelyn nicht in der Nase gebohrt, sondern sich nur an der Spitze gekratzt, aber sie senkte wie ertappt die Hand. Fast hätte sie erwartet, Maria mit einem Fernglas auf einem Baum sitzen zu sehen.
Doch es war nur eine Kamera, die von einer Laterne aus auf den Eingangsbereich gerichtet war.
Im Haus angelangt, verspürte sie das Bedürfnis, als Erstes nach Adrián zu sehen. Ein Bedürfnis, dem sie nichts entgegensetzen konnte. Während sie die Stufen erklomm, fragte sie sich, was genau sie ihm gegenüber empfand. Einerseits hätte sie alles gegeben, um ihn zu berühren - und womöglich einiges mehr mit ihm anzustellen. Andererseits stieg das Grauen in ihr auf, wenn sie sich an Bernulfs Tod erinnerte. Schon seltsam, sich so sehr nach jemandem zu sehnen, dem man liebend gern einen Pflock ins Herz jagen würde.
Verflucht, es war alles so verwirrend!
Aber vielleicht war es das gar nicht.
Vielleicht sollte sie einfach mit ihm schlafen. Danach würde sie ihn abstoßend finden, und die Sache wäre ein für alle Mal erledigt. Nur … seltsamerweise wollte sie ihn nicht abstoßend finden müssen. Sie wollte ihn mögen …
Nein, das ist nur das Band, das zwischen uns besteht. In Wirklichkeit ist er mir völlig gleichgültig.
So weit, so gut. Aber warum stand sie dann jetzt vor seinem Schlafzimmer? Warum blickte sie so entsetzt auf das leere Bett und hatte Angst, er wäre tot? Wirklich tot, endgültig und ohne Wiederkehr.
Evelyn rannte durch das Haus. Die Angst um ihn war irrational, absurd, das wusste sie und konnte dennoch nicht aufhören, nach ihm zu suchen.
Sie fand ihn in der Küche auf der Arbeitsplatte sitzen
und sich ein Handtuch mit Eis an den Kopf drücken.
Evelyn lief unwillkürlich auf ihn zu. Es reichte ihr nicht, ihn wohlauf zu sehen - sie tastete über seine Wange, den Hals und bis zur Schulter, und erst dann wagte sie zu glauben, dass es ihm wirklich gutging. Sie taumelte zurück, verärgert über ihre plakativen Gefühle. Fluchend über das Band, das sie zu solchen Peinlichkeiten zwang.
»Wir müssen reden!«, schoss es aus ihr
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