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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Schwelle eine junge Frau erschien. Der Duft eines Tropenwaldes umgab sie, mit einem Hauch von Moschus. Ein angenehmer Duft, der ihm das Gefühl gab, zu Hause zu sein. In seiner Gemeinde. Erwünscht und erwartet. Aus der Wohnung wehte der Geruch von Mäusen und deren Exkrementen entgegen. Wenn Kilian lauschte, hörte er das Piepsen, das von überall ertönte. Die Leckerbissen für ihren Liebling züchtete die Königin selbst.
    »Sie sieht so jung aus.« Linnea fuhr dem Mädchen über das Gesicht, kämmte mit den Fingern durch die Locken. »So rein.« Sie lispelte auf eine ganz entzückende Art und dehnte die Zischlaute aus. Das hüftlange Haar fiel ihren Rücken herab, die Strähnen links und rechts verdeckten ihre Ohren und verbargen ein Hörgerät. Die blinden Augen starrten durch Kilian hindurch. Keiner würde vermuten, wie viel Kraft hinter dem hilflosen Aussehen dieser Frau steckte.
    Sie trat zu einer klobigen Kommode im Flur und befühlte eine riesige Kristallschale, bis sie einen Schlüsselbund fand. Eine Schlange kroch aus dem Gefäß und wand sich um ihr Handgelenk. Linnea hob
den Arm und brachte den Schlangenkopf auf gleiche Höhe mit ihrem Gesicht. »Meine Süße, du bist ja eine ganz Ungeduldige. Willst du mitkommen?« Die Schlange züngelte, schlängelte sich an ihrem Arm hoch zur Schulter und legte sich um ihren Hals.
    Linnea schloss die Wohnungstür ab. Unmerklich zögerte sie - vermutlich prüfte sie mit ihren nackten Füßen, ob ungebetene Zuschauer in der Nähe herumlungerten. Mit den bloßen Sohlen vermochte sie jede auch noch so kleinste Bodenerschütterung zu registrieren. Zufriedengestellt führte sie Kilian zum Keller. Das spärliche Licht beleuchtete die Abstellräume, die mit einem Maschendraht voneinander getrennt waren und in denen sich Kartons, alte Möbel und anderer Kram stapelten. Angestaute Luft und Staub füllten Kilians Lunge. Er hustete.
    Eine Tür führte zu den Versorgungsanschlüssen des Hauses. An den Wänden verliefen armdicke Rohre, in denen das Wasser blubberte. In einer Ecke stand ein Stromkasten, in der anderen ein Metallschrank.
    Linnea tastete herum und schob den Schrank beiseite, der Spuren in den Staub schleifte. Dahinter verbarg sich eine Tür. Die Königin suchte einen Schlüssel heraus und sperrte auf. Eine enge Treppe führte in die Finsternis. Unbeirrt schritt Linnea mit ihren nackten Füßen über den kalten Boden, während Kilian sich durch die Türöffnung zwängte und in die Dunkelheit stolperte. Zum Glück ging er nicht zum ersten Mal durch diesen Tunnel.

    Der unterirdische Spaziergang dauerte mehrere Minuten. Kilian hörte, wie Linnea eine weitere Tür aufsperrte und eine Treppe hinunterstieg, die einige Meter in die Tiefe führte. Es roch moderig. Die Feuchtigkeit bedeckte die Wände mit einem Film. Ein eiskalter Tropfen fiel Kilian in den Kragen und lief sein Rückgrat hinunter.
    Bald mündete der Tunnel in ein Kreuzgewölbe aus Stein. Ein schwaches Licht erleuchtete die Halle mit der hohen Decke, die von massiven Säulen gestützt wurde. Drei Gänge führten von ihr ab.
    Kilian versuchte, das Unbehagen nicht zu nah an sich heranzulassen. Schreckliche Geschichten kursierten über diesen Ort. 1606 errichtet und 1814 von den französischen Truppen niedergebrannt, blieb der Krankenhof in den Kellern mancher Häuser erhalten. Mitten in St. Pauli, dem Roten Viertel, wo heutzutage das Nachtleben über den Überresten des Elends tobte. Die Menschen kannten nur einen winzigen Teil des Gewölbes, Linnea hatte den Rest entdeckt. Geheimgänge vom Hafen und der Hauptkirche St. Michaelis - von den Hamburgern liebevoll Michel genannt - sollten zu den Ruinen der Anlage führen. Einen davon hatte Linnea aufgespürt und den Geist des Pesthofes zu neuem Leben beschworen.
    Kilian hatte viele Bücher und Dokumente über diese Stätte gewälzt. »Der Name Pesthof war ein Schrecken für alle Armen, und doch gab es damals viele so höchst Unglückliche, daß selbst dieses Elend noch
eine Wohlthat für sie war«, hatte Johann Jakob Rambach, ein evangelischer Theologe des 18. Jahrhunderts, 1801 geschrieben. Rambachs Worte hätten allerdings auch für heute nicht treffender sein können: Die Vorzimmer des Todes warteten hier auf die unfreiwilligen Gäste. Manchmal kam es Kilian vor, als streiften die Geister der Kranken und »würklich Tollen, Narren und Blödsinnigen« durch diese Gemäuer, beobachteten das Leid und ergötzten sich an den Qualen der sterbenden Kreaturen.
    Linnea

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