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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Gedanken zu ordnen. Was war mit ihm geschehen? Er dachte an die Wut, die ihn nach dem Gespräch mit Linnea ergriffen hatte, die ihn genötigt hatte, in den Wald zu stürzen. Wildheit, Blutrausch, Gier hatten ihn übermannt. Danach - Schwärze.
    Nein. Kilian stöhnte. Alles, nur das nicht! Bitte, bitte, bitte nicht! Zögernd hob er die Hände vor das Gesicht. Blut klebte daran.
    Gott, was hatte er getan!
    Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu, und er hätte geweint, wenn er es nicht vor langer Zeit verlernt hätte. Blackout, Panikattacken - das bedeutete nur eines: Er war seinem animalischen Ich verfallen, es hatte die Oberhand über seinen Geist gewonnen und ihn zu einer tollwütigen Bestie gemacht. Heute Nacht hatte er jemanden getötet. Und es würde wieder geschehen. Immer häufiger, bis er hinter Schloss und Riegel gebracht würde, seinem Wahnsinn völlig verfallen.
    Halt! Noch war es nicht so weit.
    Kilian raffte sich auf. Zunächst gelang es ihm nur, auf alle viere zu kommen. Er kämpfte mit der Schwerkraft, doch seine Beine knickten weg, und er fiel auf die Knie. Die Umgebung tanzte vor seinen Augen eine lebhafte Polka, sein Gleichgewichtssinn weigerte sich, ihn aufrecht gehen zu lassen.
    Zum Tier, er wurde zum Tier …

    Akash winselte und stupste Kilians Handfläche mit seiner kalten Schnauze an.
    »Das wird schon, mein Kleiner«, krächzte er und rappelte sich an einem Baum hoch.
    Eine Weile stand er da, die Wange an die Rinde gedrückt, voller Angst, den Stamm loszulassen. Wie sollte er jetzt nach Hause gelangen?
    »Sie liebt dich nicht«, ertönte es neben ihm.
    Kilians Kopf ruckte herum. Erst jetzt nahmen seine Hundeaugen eine Regung am Rand der Lichtung wahr - ohne die Brille sah er bloß Schemen und registrierte vor allem die Bewegungen. Da, unter einem Baum saß er, der Kerl, den Linnea ihm aufgehalst hatte.
    »Was?« Seine Kehle schmerzte, und der Ton glich eher einem Knurren statt einem menschlichen Wort.
    »Diese Linde, die du so innig umarmst. Sie wird deine Liebe nicht erwidern - die ist ziemlich angepisst.«
    »Bitte?« Sein Kopf drohte bei jeder Bewegung zu zerbersten. Der Boden schwankte, doch Kilian gelang es, aufrecht zu bleiben.
    »Akash hat sie beglückt.« Finn hob die Thermoskanne, die neben ihm stand. »Auch Kaffee? Ich dachte mir, das würde eine lange Nacht und ein ermattender Morgen sein, deshalb habe ich welchen gemacht.«
    Kilian gab den Kampf mit seinem Gleichgewichtssinn auf und rutschte zu Boden. »Was willst du hier?«
    »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Wie ich feststellen musste, ganz zu Recht.«

    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Ein Vögelchen hat es mir gezwitschert.«
    »Du hast mich ausspioniert.« Hätte er die Kraft gehabt, hätte er den Typen erwürgt. Aber in seiner jetzigen Verfassung fiel es ihm schwer, auch nur einen Arm zu heben.
    Winselnd kroch Akash auf ihn zu und legte ihm die Schnauze in den Schoß. Blut verklebte das Fell. Sie hatten also zusammen gejagt. Ein Kaninchen, das musste ein Kaninchen gewesen sein.
    »Was habe ich gerissen?«
    Finn erblasste. Er schraubte die Thermoskanne auf, schenkte sich den Kaffee ein und schlürfte die dampfende Flüssigkeit.
    »Was, verdammt?«, knurrte Kilian. Seine Stimmung schlug auf den Hund über. Akash hob die Lefzen und stieß ein Grollen hervor.
    Finn strich sich durch das Haar und zog sich ein paar Strähnen über das linke Ohr, das durch eine Narbe einen Knick aufwies. »Ein Reh.«
    Kilian schluckte. Wenigstens war es kein Mensch gewesen. Denn für einen Moment hätte er schwören können, menschliches Blut gerochen zu haben. Aber er musste sich geirrt haben. »Wie schlimm?«
    »Keine Sorge, ich habe …« Er machte ein Geräusch, als müsste er würgen. »Ich habe mich um alles gekümmert. Soweit es mir möglich war.«
    Also sehr schlimm. Kilian stöhnte. Einmal hatte Linnea ihn losgeschickt, um eine Ausreißerin, die der
Krankheit verfallen war, zu finden und sie zu ihr zu bringen. Bei der Krankheit ging es um eine besondere Form von Tollwut, die seine Artgenossen früher oder später befiel, je nachdem, wie oft sie die Verbindung mit ihrem Seelentier eingegangen waren.
    Die Ausreißerin hatte er über einem Wildschweinkadaver gestellt. Das arme Tier war aus purer Lust am Töten zerfetzt worden. Das Bild, das sich ihm damals auf der Wiese geboten hatte, hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Vor allem aber die erkrankte Metamorph-Frau … seine Mutter. Das Aufblitzen in ihren Augen, der rötliche

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