Schattenseelen Roman
wie du willst.«
»Also zusammen bis ans Ende aller Zeiten?«
Er zögerte. Ihre Alarmglöckchen läuteten Sturm. Irgendetwas stimmte nicht, irgendetwas verheimlichte er ihr, und ihr Instinkt sagte ihr, dass sie es lieber nicht hören wollte.
»Ich muss dir etwas gestehen. Über mich und Hermann, über unsere Beziehung.«
Auf einmal kam ihr das Wasser kalt vor. Sie fror.
»Jetzt sag nicht, er sei dein Liebhaber«, versuchte sie zu scherzen.
»Nein. Evy … Diese Sache mit dem Nachzehrer-Fluch … Ich war nicht ganz ehrlich zu dir. Weißt du, der Fluch kann behoben werden. Durch eine Hexe.«
»Dann kann ich … können wir … wieder leben?«
»Warte. Wenn der Fluch behoben wird, zerfällst du zu Staub. Denn er ist der einzige Grund, warum du noch in dieser Welt existierst. Ohne den Fluch würde es dich auch nicht geben.«
»Und was hat das mit dir und Hermann …«
Und da war er, der Gedanke, der ihm entflohen war und den sie aufgeschnappt hatte. Er musste ihn nicht einmal aussprechen, mit einem Mal wusste sie es.
Evelyn schnaubte erschrocken und setzte sich auf. »Oh nein. Du und Hermann - ihr sucht nach einer Hexe? Damit sie dich erlöst?«
Er senkte die Lider. »Ja.«
»Warum hilft er dir, wenn er dich so sehr hasst?«
»Für ihn ist das die einzige Möglichkeit, mich zuverlässig aus der Welt zu schaffen und sich für den Tod seiner Frau - meiner Schwester - zu rächen.«
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Wenn die Hexe dir deinen Wunsch erfüllt, dann stirbst du.«
»Evy, ich bin schon tot.«
»Das heißt, wenn er eine Hexe tatsächlich ruft, beschwört oder was auch immer, dann wirst du …«
»Vielleicht.«
»Jemand muss ihn aufhalten!«
»Evy, warte. Du redest schon fast wie Conrad. So einfach ist es nicht, eine Hexe zu rufen. Wir versuchen das schon seit vielen Jahren und …«
»Wie bist du bloß auf die Idee gekommen, dich auf so etwas einzulassen!«
»Ich existiere, weil andere Menschen für mich sterben. Ich habe meine Familie getötet! Meinst du, es ist leicht, damit eine Ewigkeit zu verbringen?«
»Das ist doch nicht alles«, beharrte sie.
»Und es gibt noch das Vergessen.«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Dein Körper kann ewig leben, aber dein Gehirn kann nicht ewig Informationen speichern. Stück für Stück werden die Erinnerungen an dein menschliches Leben verschwinden, und irgendwann wird nichts Menschliches mehr in dir zurückbleiben. Du wirst zu einer Killermaschine, die nichts anderes kennt, als zu existieren, um zu töten. Und zu töten, um zu existieren.«
»Egal. Jetzt haben wir gerade einander gefunden, und du willst sterben? Wie kannst du mir so etwas antun?«
»Nein, ich …«
Ja, was? Bestürzt sah sie in sein Gesicht.
Er konnte sie doch unmöglich allein in ihrer Ewigkeit lassen! Nicht jetzt und nicht irgendwann später. »Versprich mir, dass du mit Hermann redest, dass du ihn dazu bringst, die Suche nach der Hexe aufzugeben. Zwinge ihn, wenn es nötig ist, aber bring ihn von der Idee ab!«
»Evy …«
»Versprich es mir«, forderte sie. »Versprich es mir, verdammt!«
»Wie kann ich das tun?«
Als wäre etwas in ihr geknickt, brach sie über ihm zusammen und drückte ihre Stirn an seine Brust. »Verstehst du das denn nicht? Ich will dich nicht verlieren!«
Adrián umarmte sie. Aber er sagte nichts.
14. Kapitel
K ilian erwachte auf dem Waldboden, zu einer Fötushaltung gekrümmt. Der Geruch nach Moos, Laub und Erde stieg ihm in die Nase. Ein schöner Geruch, in dem er selig badete und ihn auskostete, bis sich ein neuer dazumischte: Blut.
Unruhe schwoll in ihm an. Wie war er hierhergekommen? Und vor allem: Wo war er? Er dachte an das Letzte, an das er sich erinnern konnte: das Gespräch mit Linnea und diesem Kerl, der durch das Wort der Königin gleichermaßen zu seinem Gefährten und zu seinem Bewacher geworden war. Jemand, dem er nicht wirklich trauen konnte und auf den er sich dennoch verlassen sollte, wenn es zur Jagd kommen würde. Und keine Möglichkeit, ihn loszuwerden.
Der Geruch des Blutes …
Hatte er …?
Kilian rollte sich auf den Rücken. Fliegen surrten über ihm, setzten sich auf sein Gesicht, krabbelten über die Wangen und die Nase. Er verscheuchte sie, doch die hartnäckigen Biester kehrten aufs Neue zurück.
Es raschelte. Akash rückte an seine Seite und spendete
ihm mit seinem Körper Wärme. Kilian schloss die Augen und streichelte den treuen Freund. Seine Gesellschaft beruhigte ihn, und er versuchte abermals, seine
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