Schattenspäher
und Todesstoß. Blut und Knochen. Kreischen und Fauchen.
Es waren zehn, und der Letzte von ihnen hatte kaum Zeit, sein Schwert zu ziehen, bevor Eisenfuß ihm die Spitze der Bel-Zheret-Klinge in den Hals rammte. Und wenn Eisenfuß bis zu diesem Tag noch kein echter Schatten gewesen war, so war er mit dieser Stunde zu einem geworden.
Nachdem er seine Waffe an der Uniform eines der Toten sauber gewischt hatte, stieg er ohne besondere Eile wieder in den Sattel. Sie nahmen Anlauf und übersprangen ohne Probleme die Schwachstelle in der Mauer.
Irgendwann auf ihrem Weg zur Überlandstraße nach Sylvan mussten sie gesprochen haben, doch Eisenfuß konnte sich nicht mehr daran erinnern. Im Morgengrauen verließen sie den Wald, und in weniger als zwei Stunden erreichten sie Sylvan. Dies, nachdem sie Zug um Zug von Seelie-Soldaten passiert hatten, die nach Norden in den Krieg zogen.
Als sie in einer schnellen Kutsche der Seelie-Armee Smaragdstadt erreichten, erwartete sie Paet schon in Haus Schwarzenstein. Schweigend nahm er ihren Bericht über die Mission entgegen - angefangen bei ihrem Flug von Preyia, über ihre Begegnung mit den Arami bis hin zu den Toden von Timha und Silberdun - und stellte keine Fragen. Als Eisenfuß geendet hatte, dankte ihm Paet mit leiser Stimme.
»Wann wird Silberduns Leiche an seine Familie ausgeliefert werden?«, fragte Eisenfuß.
»Gar nicht. Es wird keine Bestattung geben.«
»Wie bitte?« Es war das Erste, was Sela seit ihrer Ankunft sagte.
»Schatten erhalten keine Beerdigung«, sagte Paet. »Dieses Glück bleibt uns versagt.«
Eisenfuß kochte innerlich, doch es hatte keinen Sinn, sich mit Paet darüber zu streiten.
»Ich werde einige Tage fort sein.« Paet erhob sich. »Ich möchte, dass ihr euch in dieser Zeit ausruht. Bei meiner Rückkehr gibt es viel zu tun.«
»Paet«, sagte Eisenfuß. »Sie wussten, dass wir kommen, waren jederzeit über jeden unserer Schritte informiert.«
»Ich weiß«, erwiderte Paet. »Und ich hab keine Ahnung, wer dafür verantwortlich ist.«
»Ich möchte wieder zurück an die Arbeit«, sagte Sela. »Jetzt. Ich hab keine Lust mich auszuruhen.«
»Dem kann ich mich nur anschließen«, sagte Eisenfuß.
»Manche Dinge dulden keinen Aufschub, andere schon«, sagte Paet. »Wenn du darauf bestehst, wieder zu arbeiten, Eisenfuß, dann widme dich doch Timhas Aufzeichnungen. Die Unseelie sind nicht schlau daraus geworden, aber vielleicht gelingt es ja dir.«
»Und wird uns das irgendwas nützen?«, fragte Eisenfuß.
Man kann nie wissen, was einmal nützlich sein wird«, sagte Paet.
»Ich möchte mir gern die Geheimdienstunterlagen ansehen«, sagte Sela. »Und zwar alle. Vielleicht finde ich einen Hinweis auf den Verräter. Ich bin da auf einige Dinge gestoßen, bevor wir ins Feindgebiet aufgebrochen sind.«
»Und? Schon was Genaueres?«, fragte Paet.
»Ich werde es dich wissen lassen.«
Paet brach kurz darauf auf und ließ Sela und Eisenfuß in der Schattenhöhle zurück. Eisenfuß suchte sich Timhas Aufzeichnungen, Pläne und Bücher zusammen und legte alles auf den großen Tisch im Einsatzbesprechungsraum. Die Unseelie hatten ein paar recht helle Köpfe in ihren Reihen, doch Eisenfuß besaß etwas, das sie nicht hatten: die Karte von Selafae.
Stundenlang brütete er über den Dingen, verglich sorgfältig die Pläne der Einszorn. Und wie schon bei seiner Rückkehr von Selafae nach Königinnenbrück verlor er sich in seiner Arbeit, während das Grauen mit jeder weiteren Stunde wuchs.
Doch Eisenfuß' Verhältnis zur Furcht hatte sich in den letzten Monaten gewandelt. Die Furcht war nun eine treibende Kraft, etwas, das er kontrollieren konnte. Wann immer sie ihn zu überwältigen drohte, griff er in sich hinein und unterdrückte sie.
Ab und zu steckte Sela ihren Kopf aus der Schattenhöhle, um nach ihm zu sehen oder sich einen weiteren Packen Depeschen von den Analysten im Obergeschoss abzuholen. Keiner von ihnen gönnte sich eine Pause, nicht mal für einen Moment. Die Arbeit zu unterbrechen würde bedeuten, dass man über Vergangenes nachdenken musste, und daran hatte keiner von ihnen ein Interesse.
Die beiden Muster aus Eisenfuß' Traum auf dem Arami-Netz wurden auf Papier übertragen, und da erkannte er, um was es sich bei ihnen handelte. Wenig überraschend war das eine Muster die Karte, auf die er so oft und so lange gestarrt hatte, dass sie sich fast in sein Hirn eingebrannt hatte. Das andere Muster spiegelte Timhas Plan wider, den er studiert
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