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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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Bühne. Allein. Das Theater trug den Namen Die Schneeflocke und war der Lebenstraum Nafaeels, ihres Vaters. Allerdings hatte Vater das Etablissement nie zu Gesicht bekommen.
    Und ironischerweise erschien es aus heutiger Sicht, als hätte ausgerechnet Vater ihnen die ganzen Jahre über im Weg gestanden. Als er die Bittersüßen Erstaunlichen Mestina geleitet hatte, war die Truppe nur wenig profitabel gewesen. Sie hatten zwar meistens genug verdient, um sich satt zu essen und eine bequeme Unterkunft zu mieten. Doch es kam auch vor, dass sie vor den Toren der Stadt in ihren Wagen übernachten mussten, zusammengepfercht auf behelfsmäßigen Unterlagen aus Kostümen und Vorhängen.
    Erst nach Vaters Tod und nachdem Faella die Firma übernommen hatte, hatte sich herausgestellt, was für ein schlechter Geschäftsmann er wirklich gewesen war. Stets ganz der Schauspieler und Organisator, hatte Nafaeel der Truppe zwar zu Auftritten im ganzen Königreich verholfen, doch mit Geld nie umgehen können. Und so hatte er sich von skrupellosen Theaterbesitzern übervorteilen lassen und ein kleines Vermögen für allen möglichen Schnickschnack ausgegeben: überflüssige Requisiten, Verstärkerschränke und Kostüme aus Samt und Seide, wo solche aus Filz es auch getan hätten.
    Nein, Vater war ein gänzlich unpraktischer Mann gewesen. Faella hatte ihn geliebt und sehr getrauert, als er kurz nach Midwinter gestorben war, doch inzwischen dachte sie nur noch selten an ihn. Und heute, kaum ein Jahr später, stand Die Schneeflocke hier. Sie hatte die Anzahlung für das Theater aus dem Gold bestritten, das sie selbst sich durch harte Arbeit zusammengespart hatte.
    Leider war das nicht annähernd genug.
    Nun stand sie auf der Bühne und verbeugte sich tief vor den leeren Rängen. Die nicht vorhandenen Zuschauer applaudierten ihr frenetisch. Sie straffte sich, sang ein paar Töne.
    Seit frühester Kindheit galt Faella als brillante Mestina, das wusste jeder. Sie war der Star der Bittersüßen, seit sie sprechen konnte. Und alle im Ensemble erkannten dies mehr oder weniger neidlos an.
    Jedoch war es Vater nie in den Sinn gekommen, dass Faella diesen Weg vielleicht gar nicht hatte beschreiten wollen. Er hatte es einfach angenommen, weil sie so begabt war und so viel Freude bei Arbeit an den Tag legte.
    Allein Faella hatte immer gewusst, dass sie zu Höherem bestimmt war. Ja, sie wusste es einfach. Und sie hatte gehofft, dass das Theater und die Leitung der Truppe ihr dabei helfen konnten. Doch das Gegenteil dessen war eingetreten: Sie fühlte sich heute mehr denn je eingeengt und in einer Sackgasse angekommen.
    Es musste doch mehr geben als das. Es war, als steckte tief in ihr etwas Lebendiges, das sich nach Größe sehnte, etwas, das eingeschlossen war in ihrem Herzen und sie anflehte, aus dem stumpfen Einerlei ausbrechen zu dürfen.
    Gedanken dieser Art führten sie stets zu Perrin Alt, Lord Silberdun. Sie hatte ihn gegen Ende des letzten Midwinters auf dem Weg nach Estacana getroffen und sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Und dumm, wie sie damals gewesen war, hatte sie geglaubt, ihre Gefühle würden erwidert, weil der Mann zweifellos von ihr angezogen worden war.
    Ja, Silberdun war alles gewesen, wovon sie immer geträumt hatte: überaus attraktiv, begabt, humorvoll, intelligent. Und wichtig.
    Silberdun war ein Lord. Ein Edelmann. Er hätte ihr den gesellschaftlichen Aufstieg ermöglichen können, indem er sie zu einer Lady gemacht hätte. Und in dem unbändigen Wunsch, mehr aus ihrem Leben zu machen, hatte sie sich ihm an den Hals geworfen, sich an ihn verschenkt und zum Narren gemacht. Und als er mit ihr getan hatte, was jeder Mann getan hätte, da hatte er sie verlassen, und sie war wütend geworden. Mehr als wütend. Ach, hätte sie damals nur gewusst, wie viel niederträchtiger andere Männer sein konnten, wäre sie mit Silberdun vielleicht nicht so hart ins Gericht gegangen.
    Doch dann war etwas Seltsames geschehen. Das Ding in ihr, das wusste, dass sie zu Höherem berufen war, war herausgesprungen und hatte Silberdun etwas angetan. Es hatte ihn hässlich gemacht, irgendwie sein Gesicht verändert. Nicht dass da wirklich ein Ding in ihr schlummerte. Sie allein war dafür verantwortlich, beziehungsweise der Teil von ihr, den sie schon ihr ganzes Leben lang in Schach hielt.
    Zunächst hatte sie angenommen, ihr wäre nur ein besonders eindrucksvolles Blendwerk geglückt, obwohl sie im Grunde wusste, dass dies nicht der Fall war.

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