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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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lag. Blut und Knochen, Fleisch und Muskeln. Sie hatte dergleichen noch nie gesehen, vermutete aber, dass Rieger inwendig wie eine rohe Rinderhälfte aussehen musste.
    Der Heilungsprozess war schon eine seltsame Sache. Der Körper flickte sich praktisch von innen her wieder zusammen, so als würde sich ein zerrissener Saum von selbst wieder zusammennähen. Seltsam und wunderbar zugleich war das. Eine Art von Magie und so gänzlich anders als die Kunst der Gaben. Die geheime Magie der Natur, die sich immer wieder aufs Neue regenerierte. Und konnte man sich dieses Wunder nicht zunutze machen? Faella hatte keine Ahnung davon, wie ein Körper sich wiederherstellte, aber sie besaß eine unbändige Willenskraft.
    »Nehmt Eure Hände von der Wunde weg, Fräulein«, rief die Heilerin. Faella öffnete die Augen und sah auf; die Heilerin stand neben ihr und starrte wütend auf sie herab. Faella wandte den Kopf; ihre Handflächen waren auf Riegers Bauch gepresst; massierten sanft die verletzte Stelle.
    »Ihr bringt ihn noch um!«, kreischte Ada und riss Faellas Hand fort.
    Die Wunde war nicht mehr da, und Faella überraschte dies kein bisschen.
    Die Heilerin beugte sich hinab und blickte abwechselnd auf ihren Patienten und dann zu Faella. Riegers Atmung ging bereits ruhiger.
    »Ich weiß nicht, was für einen Mestina-Trick Ihr hier angewendet habt, aber ich lasse mich nicht zum Narren halten«, zischte die Heilerin. »Veranstaltet Euren Blendwerkshokuspokus gefälligst woanders!« Mit diesen Worten stürmte die Heilerin aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Nach etwa einer Stunde erlangte Rieger das Bewusstsein wieder und fragte Faella, was geschehen war. Weder sie noch Ada hatten darauf eine Antwort.
    Eine Woche später bummelte Faella über den Basar und entdeckte Malik Em, der mit seinen Spießgesellen durch die Marktreihen strich. Ungeniert stibitzte er hier eine Frucht, dort einen silbernen Ring, zwinkerte den Verkäufern dabei frech zu und lachte. Nicht nur bezahlte er für nichts, er dankte zynischerweise den Händlern auch überschwänglich für deren Großzügigkeit.
    Faella hatte gelernt, dass der Körper den Wunsch hatte zu heilen. Doch was, wenn nicht? Wenn dieser Prozess beschleunigt werden konnte, war es dann auch möglich, ihn zu verlangsamen? Vielleicht sogar ganz aufzuhalten?
    Gedankenverloren sah sie Malik Em nach. Als sie ein paar Tage später erfuhr, dass der Bandit an einem einfachen Fieber gestorben war, zuckte sie nur die Achseln. Wenngleich mit einem grimmigen Lächeln.
    Wahrscheinlich nur ein Zufall.
    Nein, vermutlich nicht.
    Ja, sie besaß eine unbändige Willenskraft. Und egal, wie sehr sie das Leben als Direktorin der Bittersüßen Erstaunlichen Mestina zu genießen versuchte, wusste sie doch insgeheim, dass ihr das niemals genügen würde.
    Dort draußen wartete mehr auf sie. Ob sie nun wollte oder nicht.
    Und eines Tages, da war sie sich sicher, würde Silberdun zu ihr zurückkehren. Allerdings wusste sie nicht, inwieweit sie dabei ihre Finger im Spiel haben würde.
    Eine gute Frage, über die sich nachzudenken lohnte. Doch bis dahin gab es noch viel Arbeit zu erledigen.

14. KAPITEL
    Im Krieg und in der Liebe läuft selten etwas wie erwartet.
    - Lord Grau, Erinnerungen
    Paet erwartete sie schon am Dock, als die Treibholz einlief. Jedron, nun wieder in seiner Rolle als Kapitän Ilian, hatte das Schiff auch heute souverän wie immer über das Inlandmeer gebracht. Silberdun sah, dass Paet einen Tornister über der Schulter trug, den er fest an sich drückte. Er blickte zu Eisenfuß hinüber. Niemand von ihnen hatte während der Überfahrt zum Festland auch nur ein Wort gesprochen. Silberdun hatte es vorgezogen, seinen Gedanken nachzuhängen, und Eisenfuß offenbar auch. »Kapitän Ilian« hatte sich ebenfalls in Schweigen gehüllt; er schien zu wissen, wann seine beiden Schüler in Ruhe gelassen werden wollten.
    Das Schiff legte mit einem dumpfen Rumpeln am Pier an, und einer der Automatenmatrosen warf Paet eine Leine zu. Nachdem Paet die Treibholz vertäut hatte, sprang Jedron von Bord. Er und Paet sahen einander schweigend an.
    »Kommt schon!« Jedron winkte Silberdun und Eisenfuß an Land. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    An Deck erhob sich Silberdun; er machte einen unsicheren Schritt und stolperte. Seit der Nacht, da man ihn in die finstere Grube gestoßen hatte - eine Nacht, an die er sich lieber nicht erinnern wollte -, fühlte er sich nicht mehr wohl in seiner Haut.

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