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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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Sie hatte Silberdun eine bitterböse Nachricht auf dem Spiegel hinterlassen: »Sei von außen so garstig wie von innen.« Ja, dem hatte sie es gezeigt!
    Und dann war er gegangen, und sie hatte sich gewünscht, ihm nicht ganz so übel mitgespielt zu haben. Im Geiste durchlebte sie wieder und wieder jede Minute ihres Beisammenseins und musste erkennen, dass sie sich die ganze Zeit über wie ein verzweifeltes Frauenzimmer aufgeführt hatte, hoffnungslos kleingeistig und idiotisch. Er hatte sie gemocht, und sie hatte ihn durch die Finger schlüpfen lassen, und seine letzte Erinnerung an sie würde auf ewig dieses dumme Blendwerk sein. Und ja, es war einfach nur ein dummes Blendwerk gewesen, nichts weiter. Was auch sonst?
    Ja, er war weitergezogen, um diese überaus geheime Mission zu erfüllen. Zusammen mit diesem Flegel Mauritane, dieser unheimlichen Frau, diesem komischen Menschen und dem mürrischen Fettwanst. Weit, weit fort in die Umfochtenen Lande hatte ihn sein Weg geführt, und sie hatte ihn nie wiedergesehen.
    Einige Monate später dann hatte sie wie gewöhnlich die Hofgazette durchgeblättert und den neuesten Klatsch und Tratsch über die Leute wie ein Schwamm aufgesogen, die sie verehrte, wiewohl sie sich für diese Schwärmerei gleichzeitig hasste. Dabei war sie auf ein Bild von Silberdun gestoßen. Der inzwischen als Held des Königreichs gefeiert wurde. Als wahrer Kriegsheld in der Schlacht von Sylvan.
    Das war mal wieder typisch. Nicht nur hatte sie sich einen Edelmann durch die Lappen gehen lassen, sondern zu allem Überfluss auch noch einen Kriegshelden!
    Und dann war ihr etwas aufgefallen, das noch viel seltsamer war. Etwas, über das sie ihr Selbstmitleid fast vergaß.
    Silberduns Antlitz war immer noch verändert. Zwar war es nicht mehr das abscheuliche Gesicht, das sie ihm in ihrer Wut verpasst hatte, aber es war auch nicht das Gesicht, das er besessen hatte, als sie sich zum ersten Mal trafen. Seine neuen Züge lagen nun irgendwo dazwischen. Und seltsamerweise gefiel ihr der Mann jetzt sogar noch besser als bei ihrer ersten Begegnung.
    Doch wenn sein Gesicht noch immer verwandelt war, dann konnte es kein Blendwerk gewesen sein. Dieses Ding - nein, nicht Ding, sondern sie selbst - hatte etwas bewirkt, und Faella wusste nicht zu sagen, ob dergleichen irgendjemandem überhaupt möglich war. Schon gar nicht einem ungebildeten Mädchen, das als Mitglied einer zweitklassigen Mestina-Truppe durch die Lande tingelte.
    Und doch war es geschehen.
    Faella streckte die Hände aus und begann das neue Mestina zu wirken, an dem sie gerade arbeitete. Das Blendwerk nannte sich »Windung«. Sie erschuf zwei Bänder aus reinster Farbe: ein rotes und ein goldenes. Die beiden Bänder rankten sich im dunklen Theater um sie und tauchten ihr Gesicht in einen farbigen Glanz. Sie vollführte mit dem Handgelenk kreisförmige Bewegungen, und die Lichtschlangen wirbelten schneller, umkreisten einander.
    Einmal zu der Überzeugung gelangt, dass sie Silberdun tatsächlich etwas Außergewöhnliches angetan haben musste, schien es, als wäre damit etwas in ihr ausgelöst worden. Es fing ganz harmlos an. Kleinere Vorkommnisse. So befanden sich auf einmal benötigte Gegenstände unversehens in Reichweite, ohne dass sie lange danach suchen musste. Oder ein Kleid, das sie sich sehnlichst gewünscht hatte, wurde überraschend im Preis heruntergesetzt. Solche Dinge eben.
    Doch bald darauf geschahen unerklärliche Dinge. An einem Abend zum Beispiel, als wieder mal die Monatsmiete für das Theater bezahlt werden musste, da hatte sie in der Geldkassette genau den Betrag vorgefunden, der fällig war. Das Bemerkenswerte daran war allerdings, dass sich in der Schatulle das Doppelte dessen befand, was sie an diesem Abend eingenommen hatten.
    Niemals etwas Wundersames. Und niemals mehr, als sie für den Moment benötigte.
    Die roten und goldenen Lichtbänder umkreisten einander noch immer, tänzelten aufeinander zu, wirbelten herum, züngelten vor und zurück wie Flammen, umarmten sich, lösten sich wieder, schickten sich an, sich zu einem perfekt geflochtenen Strang zu vereinigen und -
    -verwickelten sich ineinander, verknoteten sich über Faellas Kopf zu einem unentwirrbaren Knäuel. Sie brach die Übung ab. Der traurige Knoten aus rotem und goldenem Licht fiel zu Boden, bevor er verschwand.
    Eigentlich hätten die anderen längst im Theater sein müssen. Mestinas waren nicht gerade für ihre Pünktlichkeit bekannt, doch selten kamen sie so

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