Schattenspäher
ertönte in ihrem Rücken auf einmal Paets Stimme.
Silberdun fuhr herum. Paet stand mitten auf der Straße und stützte sich auf seinen Gehstock. Es war weit und breit keine Kutsche zu sehen.
»Wo seid Ihr so plötzlich hergekommen?«, fragte Silberdun.
»Ich bitte Euch, ich bin ein Schatten«, sagte Paet. »So was gehört zum Job. Wollen wir reingehen?«
Paet trat ans Tor und legte seine Handfläche auf das Gitter. Dann sprach er ein Wort der Entfesselung, und die Pforte schwang auf.
Paet ging auf dem schmalen Weg voran. Auf dem Grundstück war es dunkler als auf der Straße. Die moosbedeckten Weiden schienen auch das letzte Tageslicht zu schlucken. Es roch nach wilden Rosen und Lehm.
Die Vordertür des Hauses war schwarz gestrichen; der Lack blätterte jedoch teilweise schon ab.
»Mir scheint, die Dienerschaft dieses Hauses glänzt bereits seit Längerem durch Abwesenheit«, stellte Silberdun fest.
»Ihr könnt Euch gern einen Pinsel schnappen und die Tür neu streichen.« Paet zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete die Tür.
Das Erste, was Silberdun und Eisenfuß sahen, war ein gänzlich leerer Raum. Auf den Fensterbänken und dem Boden lag Staub. An einem der Wände gab es einen rußgeschwärzten Kamin. Durch die geschlossenen Fensterläden drang nur wenig Licht herein. Paet holte eine winzige Hexenlichtfackel aus der Tasche und leuchtete ihnen den Weg zur Treppe.
»Kommt schon«, sagte er. Während sie gingen, fiel Silberdun auf, dass sie zwar Staub aufwirbelten, auf dem schmutzigen Boden jedoch keine Fußspuren hinterließen.
Sie stiegen die Stufen in den zweiten Stock hinauf, der genauso verstaubt und leer war wie das Erdgeschoss. Ihre Tritte verursachten hohle Echos im Haus. Paet führte die beiden in ein leeres Schlafzimmer.
»Hier durch.« Paet zeigte auf eine geschlossene Schranktür. Er öffnete sie, trat hinein und bedeutete Silberdun und Eisenfuß, ihm zu folgen. Kurz darauf stand Silberdun in dem düsteren Schrank, eng an Paet und Eisenfuß gedrängt, und kam sich wie ein Idiot vor. Paet grinste breit. Er schloss hinter ihnen die Tür, und Paet suchte mit Hilfe seines Hexenlichts nach einem weiteren Schlüssel. Er steckte den Schlüssel von innen in ein Schloss in der Schranktür und drehte ihn. Der Schrank schien sich einmal zu überschlagen, und Silberduns Magen machte einen Satz. Eisenfuß neben ihm würgte.
Silberdun sah nach unten und bemerkte, dass nun Licht unter der Schranktür ins Innere fiel. Paet öffnete die Tür; dann traten sie hinaus in ein kleines Empfangszimmer. Eine ziemlich junge Faefrau erwartete sie dort bereits.
»Guten Abend, Anführer Paet«, sagte sie.
Desorientiert schaute sich Silberdun in dem Raum um, bevor er begriff, was hier passierte. Das ganze Haus war auf ziemlich fachmännische Weise zauberverwandelt worden. Sie standen schlicht und ergreifend in der veränderten Version des Schlafzimmers, in dem sie eben noch in den Schrank getreten waren.
»Guten Abend, Brei.« Paet reichte der jungen Frau seinen Umhang. »Darf ich Euch Eisenfuß und Silberdun vorstellen, unsere neuesten Schatten.«
»Es ist mir eine Freude, meine Herren«, sagte Brei und nahm auch die Umhänge der Neuankömmlinge entgegen. Sie lächelte Silberdun zu. »Ich habe für Euch beide Schlüssel hier. Und auch Tee oder Kaffee, falls Ihr welchen wünscht.«
Silberdun und Eisenfuß sahen sich an. Vielleicht war das alles hier ja doch nicht so schlecht. »Tee, wenn es keine Umstände macht«, sagte Silberdun.
Paet geleitete die beiden aus dem Empfangsbüro in etwas, das eigentlich der Korridor des Hauses hätte sein sollen. Allerdings waren hier sämtliche Innenwände zu den angrenzenden Zimmern entfernt worden, sodass ein einziger großer Raum entstanden war, in dem viele Schreibtische standen.
»Willkommen in der Schattenliga«, sagte Paet. »Eurem neuen Zuhause.«
Paet durchquerte mit den beiden das große Büro und stellte sie dabei ihren anderen Kollegen vor: zwei Kopisten, ein Übersetzer, eine Hand voll Analysten, deren Aufgabe es war, sämtliche Geheimdienstdokumente auszuwerten und neue Anweisungen herauszugeben. In einem Regal standen zahlreiche Futterale mit Botenfeen, die andere Wand war mit Karten und Plänen übersät. Überall türmten sich Papierstapel: auf den Schreibtischen, in Körben und Kisten, auf einem extrabreiten Regalbrett gleich unter den Botenfeen. Unter den Analysten war auch eine junge Frau mit einem starken Ostakzent. Silberdun hatte mit der
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