Schattenspäher
habt und dass ihr Ehemann dahinterkam.«
»Ja, das stimmt«, räumte Silberdun ein. »Aber deswegen hat sie nicht gekündigt.«
»Also ich brauch eigentlich keinen persönlichen Diener«, meldete sich nun Eisenfuß zu Wort. »Ich bin lange genug Junggeselle, um gut für mich allein sorgen zu können.«
»Es geht hier aber nicht darum, was Ihr braucht oder nicht«, stellte Paet klar. »Wenn Ihr Euch allerdings in der Früh lieber persönlich ankleiden wollt, steht Euch das natürlich frei.«
Paet zog einen weiteren Zettel aus dem Papierstapel in Silberduns Hand. Darauf stand eine Adresse: Haus Schwarzenstein, Sevetal-Gasse 1.
»Findet Euch morgen bei Sonnenuntergang in diesem Haus ein«, sagte er. »Dort werdet Ihr arbeiten. Seid pünktlich.«
Mit diesen Worten wandte sie Paet um und ging davon. Silberdun und Paet machten sich auf den Weg nach Hause.
Haus Schwarzenstein stand inmitten eines von Mauern umgebenen Gartens voller Nesseln, wilder Rosen und moosbedeckter Weiden. Die Sevetal-Gasse befand sich unweit der nördlichen Stadtmauer in einem Viertel, in dem die Leute sehr auf ihre Privatsphäre bedacht waren und es sich leisten konnten, diese auch gewahrt zu wissen. Insofern wirkte das Mysteriöse an Haus Schwarzenstein in dieser Gegend weit weniger mysteriös als in anderen Stadtteilen. Das bronzene Tor in der Mauer offenbarte nur einen unbefriedigenden Blick auf eine Reihe vertrocknetes Gesträuch, das in der Vergangenheit durchaus eine gepflegte Hecke hatte sein können.
Erst das zweite Stockwerk erhob sich über den verwilderten Garten - eine raue Fassade aus dunklem, verwittertem und weinberanktem Stein. Sämtliche Fensterläden waren geschlossen.
Als die Mietkutsche ihn kurz vor Sonnenuntergang vor dem Haus absetzte, war sich Silberdun sicher, dass dies alles ein großes Missverständnis sein musste. Er überprüfte noch einmal die Adresse und befragte den Kutscher, der jedoch nur die Achseln zuckte und unter Peitschenknallen davonfuhr.
Das konnte doch nicht sein. Das Hauptquartier der allmächtigen Schatten in einem verlassenen Spukhaus? Wahrscheinlich hatte sich Paet auf seine Kosten einen Witz erlaubt.
Es war kühl draußen, doch Silberduns neuer Umhang, herbeigeschafft von seinem ebenfalls neuen Diener Olou, schützte ihn ausgezeichnet gegen die Kälte. Olou hatte sich als junger Bursche herausgestellt, vermutlich frisch aus der Armee entlassen, der in seiner Laufbahn irgendwie vom vorgeschriebenen Wege abgekommen war. Doch egal, wie und warum er hier gelandet war, Olou kam seinen Verpflichtungen vorbildlich nach. Und Silberdun hatte nie besser ausgesehen.
Silberdun trat an das Tor, doch bevor er einen Blick hindurchwerfen konnte, hielt an der Straße eine weitere Kutsche, der kurz darauf Eisenfuß entstieg. Sein zukünftiger Kollege betrachtete das Haus mit demselben verhaltenen Optimismus wie Silberdun.
»Komische Gegend für ein Regierungsgebäude«, meinte Eisenfuß. »Was genau verbirgt sich wohl hinter diesen Mauern?«
»Vielleicht das Grusel-Ministerium«, schlug Silberdun vor.
Eisenfuß grinste. »Und jetzt? Sollen wir reingehen und uns ein paar rachsüchtigen Geistern stellen, während Paet sich irgendwo darüber totlacht, wie wir uns in die Hosen machen?«
»So was in der Art ging mir auch durch den Kopf.«
»Während meiner Armeezeit wurden junge Rekruten in Säcke gesteckt und mitten in den Gnomlanden die Hügel runtergerollt«, sagte Eisenfuß. »Große, hohe Hügel waren das. Die haben dort regelrechte Rennen mit uns veranstaltet.«
»Und wie habt Ihr abgeschnitten?«
»Hab vier von fünf Rennen gewonnen«, sagte Eisenfuß. »Alles eine Frage der Einstellung.«
»Ja, das trifft wohl auf vieles zu. In meinen ersten Tagen im Senat hat man mir ein vierhundert Seiten starkes Werk mit Gesetzesvorlagen in die Hand gedrückt, über die ich in den nächsten Tagen abzustimmen hatte. Man riet mir, die gefälligst auch zu lesen.«
»Und? Wie weit seid Ihr gekommen?«
»Hab nicht mal reingesehen«, sagte Silberdun. Als er Eisenfuß' zweiflerischen Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ich war nie ein vorbildlicher Abgeordneter.«
»Denkt Ihr manchmal nicht auch, dass wir womöglich einen schrecklichen Fehler gemacht haben?«
»Ja, jeden Tag. Andererseits hatte ich schon immer das Talent, mich stets der falschen Seite anzuschließen«, sagte Silberdun. »Man gewöhnt sich dran.«
»Das macht Mut«, murmelte Eisenfuß verdrießlich.
»Ah, die Herren sind pünktlich, wie ich sehe!«,
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