Schattenspieler (German Edition)
überall liefen Soldaten herum, die irgendwelche
Gerätschaften zum Ufer schleppten und den Pionieren
dann und wann etwas zubrüllten. Bergmann kam zehn Meter
hinter dem Lkw zum Stehen und machte ein gleichgültiges
Gesicht. Vorn stieg jetzt der Fahrer aus, ein ziemlich großer
Kerl mit breiten Schultern wie ein Boxer. Er redete kurz mit
den Soldaten, kramte ein Papier aus der Brusttasche, die beiden
warfen einen Blick darauf und nickten dann. Der Riese
kletterte wieder ins Führerhaus und im nächsten Moment
röhrte der Motor auf, eine Rauchwolke quoll aus dem Auspuff
und der Lastwagen quälte sich auf die Brücke. Bergmann
holte nun selbst seine Papiere hervor und ließ das Krad bis zu
dem Posten rollen.
Der junge Soldat, der vorn stand, warf einen flüchtigen
Blick darauf und hielt die Papiere seinem Kameraden hin.
»Hat hier eigentlich jeder 'n Sonderauftrag?«, witzelte er.
Bergmann legte den Kopf schief und sah den Soldaten eiskalt
an, wie ein Forscher, der sich anschickt, ein lebendes Insekt
aufzuspießen. »Wenn du willst, sorge ich dafür, dass du
auch einen kriegst.«
Bergmann sah, dass der Soldat kurz auf seine Schulterklappe
schielte. Sein gemütliches Grinsen erlosch. Schnell gab er
Bergmann die Papiere zurück und nahm Haltung an.
»Gute Fahrt, Herr Oberleutnant.«
Bergmann steckte den Passierschein ein und gab Gas. Als
er über die Brücke fuhr, musste er grinsen. Unter ihm knallte
es hohl. »Verdammte Scheiße!«, schrie einer der Pioniere vom
Boot aus. Offenbar war die Bombe am Kran gegen den Brückenpfeiler
geschlagen. Vorwärts zum Endsieg, dachte Bergmann.
Ihr seid mir welche.
Die Fahrt dauerte fast die ganze Nacht. Der Lkw schleppte
sich in einem weiten Bogen durch Brandenburg, und Bergmann
folgte ihm die ganze Zeit, ohne auch nur einmal die
Scheinwerfer einzuschalten. Dabei konnte er sich in der Dunkelheit
nicht eine Sekunde der Unachtsamkeit leisten. Die
Straße war kaum zu sehen. Irgendwann erschien am Horizont
ein flackernder Widerschein. Einmal kam ihnen ein endlos
langer Militärkonvoi entgegen, der es sehr eilig zu haben
schien. Ein paar Kilometer weiter folgte eine kleine Kolonne
von Pferdewagen. Im Vorbeifahren sah Bergmann, dass die
Fuhrwerke über und über mit Hausrat bepackt waren.
Nach einer weiteren halben Stunde drosselte der Lastwagen
seine Fahrt und bog in eine kleine Allee ein, die von der
Landstraße abzweigte. Bergmann ließ das Krad ausrollen. Was
hatten sie denn jetzt vor? Er nahm die Schutzbrille ab, setzte
sie auf den Rand des Helms und spähte in die Dunkelheit. Die
Scheinwerfer des Lkws fraßen sich in vielleicht vierhundert
Metern Entfernung zwischen den Bäumen durch. Am Ende
der Allee lag, schemenhaft eingebettet in einen parkähnlichen
Garten, ein größeres Gebäude. Ein großes Gehöft oder vielleicht
sogar ein kleines Schloss.
Bergmann drehte vorsichtig am Gas und rollte an. Als er
die Abzweigung erreicht hatte, stieg er ab und schob das Krad
hinter ein Gebüsch. Dann legte er den Helm und Handschuhe
auf den Sattel, langte prüfend zu der Pistole an seinem Gürtel
und schlich los.
Die Einfahrt zur Allee wurde von zwei Pfosten gesäumt,
die wahrscheinlich einmal ein Tor gehalten hatten. Bergmann
ging in Deckung und spähte in Richtung des Gebäudes, das
in der Entfernung nur zu erahnen war.
Im Hintergrund war jetzt die Artillerie zu vernehmen, die
das schwache Flackern am Horizont begleitete. Bergmann
glaubte, eine Autotür klappen zu hören. Er huschte in den
Schatten der Bäume und rannte geduckt am Rand der Allee
entlang, ohne auf den Kies zu treten.
Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sich ein elegantes,
von dicken Ahornbäumen umstandenes Schlösschen aus der
Dunkelheit schälte. Daneben parkte der Lkw. Bergmann zog
die Pistole aus dem Halfter.
»Jetzt wird's interessant«, murmelte er.
Das Warten machte Friedrich fast verrückt. Beim Abendessen
hatte seine Mutter kein Wort mehr über den Tod ihres
Mannes verloren und weder Friedrich noch Marlene hatten
davon angefangen. Friedrich wusste nicht, was Mutter seiner
Schwester erzählt hatte. Marlene hatte still gegessen, sich ab
und zu eine vorwitzige blonde Strähne aus der Stirn gewischt
und ansonsten mit den Fingern auf dem Rand der Tischplatte
lautlos eine Melodie geübt. Friedrich fragte sich, ob Mutter
ihr gegenüber den merkwürdigen Plan mit der Grabstätte auf
dem Luisenfriedhof überhaupt erwähnt hatte, Vaters Hinterlassenschaft.
Er glaubte es nicht. Überhaupt ließ Mutters
Schweigen
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