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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Michael Römling
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– so stand das im
Museum jedenfalls immer auf den kleinen Tafeln. Er verstand
nicht viel von Kunst. Aber das hier hatte gut und gerne ein paar
Jahrhunderte auf dem Buckel.
    Auf dem Bild war ein ziemlich dicker älterer Mann zu sehen,
der auf den ersten Blick auf drollige Weise einfältig wirkte.
Das ganze Porträt war überwiegend in erdigen Farbtönen gehalten.
Der Mann trug einen braunen Kittel und hatte eine
weiße Mütze auf, mit der er an eine tollpatschige Mamsell aus
irgendeinem Schwank erinnerte. Er war pausbäckig, knollennasig
und schnauzbärtig, und unter der Mütze kräuselten sich
rechts und links weiße Locken hervor, die ihm fast bis auf den
Kragen fielen. Schaute man das Bild länger an, dann wirkte
der Mann allerdings gar nicht mehr drollig, sondern strahlte
etwas Würdevolles, fast Erhabenes aus. Die eine Hand hatte
er in einer selbstbewussten Geste in die Hüfte gestemmt, die
andere hielt einen Pinsel. Und wenn man es so betrachtete, war
der Ausdruck in seinen Augen keineswegs einfältig, sondern
prüfend.
    Friedrich sah seine Mutter an. »Was in aller Welt soll das
sein?«, fragte er.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ein gestohlenes Bild«,
sagte sie trocken.
    Friedrich starrte sie an. »Du kennst das Bild?«
    »Nein.« Sie zögerte. »Wie gesagt, ich weiß nicht viel über
das, was dein Vater in den letzten Jahren gemacht hat.«
    »Aber nicht das, was ich denke«, wiederholte Friedrich murmelnd
ihre Worte vom Nachmittag. Paris, Warschau, Kiew,
dachte er. Einsatzstab in den besetzten Gebieten.
    »Nein«, sagte sie. »Gott sei Dank, nicht das. Aber mit Ruhm
hat er sich trotzdem nicht bekleckert.«
    Sie schien eine Weile nachzudenken, dann blickte sie hinter
sich zum Fenster. »Wir können hier nicht bei Festbeleuchtung
sitzen«, sagte sie, kramte in einer Schublade unter der Tischplatte
nach einer Kerze, stellte sie auf den Tisch und zündete
sie an. Friedrich ging zur Tür und machte das Licht aus. Zuerst
sah er gar nichts mehr außer dem Gesicht seiner Mutter, die
über den Tisch gebeugt dasaß und auf die Stelle blickte, wo
das Gemälde lag. Im Kerzenlicht sah sie weich und verletzlich
aus. Sie schien sich in Erinnerungen zu verlieren. Friedrich
setzte sich auf eine Sesselkante und wartete. Schließlich sah
sie auf. »Dein Vater war beim Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg«, sagte sie.
    » Der Rosenberg?«
    »Ja, der. Alfred Rosenberg. Er hat diese Gruppe gegründet,
um in Frankreich Archive und Bibliotheken auszuplündern.
Dann haben sie schnell gemerkt, dass es dort noch viel wertvollere
Sachen zu holen gab. Aber das war erst der Anfang. Sie
haben sich auch in Museen und Kunstgalerien bedient. Und
als es im Osten losging, gab es kein Halten mehr.«
    »Hast du das die ganze Zeit gewusst?«
    »Nein. Ich habe irgendwann angefangen, mich umzuhören,
was dein Vater machte. Vorsichtig. Ich wollte nicht, dass er
es erfährt. Aber ich musste wissen, was er trieb. Oder besser
gesagt: was er nicht trieb. Ich wollte glauben können, dass der
Mann, den ich geheiratet hatte, nicht auch noch ein Mörder
war. Doch wenn man ehrlich ist, dann macht es kaum einen
Unterschied. Sie haben sich auch an privaten Sammlungen
vergriffen. Und die Besitzer sind in irgendwelchen Lagern gelandet
und wahrscheinlich dort umgekommen.«
    Friedrich spürte einen leichten Trotz in sich aufwallen, ohne
dass er wusste warum. Und er hatte Lust, sie zu provozieren,
seinen Vater zu verteidigen, um es ihr anschließend vorzuhalten.
Er wusste, dass das gemein war, aber er konnte nicht
anders.
    »Dann ist es dasselbe«, sagte er kühl. »Es ist genauso, als
hätte er diese Leute selbst weggebracht.«
    »Er ist euer Vater.«
    Friedrich lachte bitter auf. »Daran kann ich mich kaum erinnern.«
    Seine Mutter schaute zur Seite. »Aber ich kann mich erinnern.
Dass es auch mal anders war mit ihm. Bevor er sich mit
diesen Leuten eingelassen hat.«
    »Und wenn schon. Es war seine Entscheidung. Seine Entscheidung,
sich mit diesen Leuten einzulassen, wie du das
nennst. Und seine Entscheidung, uns sitzen zu lassen.« Friedrich
fühlte, wie seine Wut weiter anwuchs, genau wie er es
erwartet hatte. Er fragte sich, ob es mehr seine eigene Enttäuschung
über diesen Vater war oder ob er sich verpflichtet
fühlte, Marlenes Anwalt zu spielen.
    »Seine Entscheidung«, wiederholte er trotzig.
    »Er hatte kein Rückgrat.«
    »Das ist keine Entschuldigung.«
    »Ich will ihn auch nicht entschuldigen. Ich will es nur erklären.«
    »Dann sei so

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