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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Michael Römling
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seiner konspirativen
Atmosphäre. In Filmen waren diese Typen immer feist
und rauchten. Der hier wirkte fast wie ein indischer Asket.
    Der Kellner flüsterte ihm einige Worte zu. Der andere
Mann zog daraufhin eine Schublade seines Schreibtisches auf
und holte eine Pistole hervor.
    »Ich nehme an, Sie können damit umgehen«, sagte er.
Seine Stimme war weich, beinahe kindlich. Verlass dich drauf,
dachte Sommerbier.
    Er nahm die Waffe und prüfte das Magazin. Es war voll.
    Unter den wachsamen Blicken des Kellners legte er den
Koffer auf den Tisch und ließ die Schlösser aufschnappen. Er
klappte den Deckel ein Stück hoch, ohne die anderen beiden
einen Blick auf den Inhalt werfen zu lassen. Dann griff er
hinein und legte ein Bündel Scheine auf den Tisch. Besatzungsgeld,
frisch wie Tulpenblüten.
    Ohne zu zählen, nahm der Asket das Scheinbündel und ließ
es in die Schreibtischschublade fallen. Sommerbier steckte die
Pistole in die Jackentasche.
    »Die Getränke gehen aufs Haus«, sagte der Asket, zum Kellner
gewandt. Der nickte und öffnete die Tür.
    Zurück an der Bar bestellte Sommerbier einen Whisky.
Während der Kellner einschenkte, warf er einen Blick in die
Runde. Die Tänzerin hatte ihre Vorstellung beendet und
stelzte mit abweisendem Gesicht an die Bar, verfolgt von ein
paar gierigen Augenpaaren. Ihre Blicke trafen sich.
    »Na, Süßer, gibste mir einen aus?«, fragte die Blonde. Es
klang wie ein tausendmal heruntergeleierter Spruch.
    »Heute nicht«, sagte Sommerbier, kippte seinen Whisky
hinunter und verließ das Lokal.

Das Büro von Major Parks war in einem der wenigen völlig
unversehrten Häuser von Wilmersdorf einquartiert. Neben
dem Portal war ein Schild mit der Aufschrift Military Government
– Special Tasks Detachment aufgestellt. Auf dem Dach
wehte die britische Flagge. Auch vorher war hier eine Behörde
untergebracht gewesen: Über dem breiten Eingangsportal
hing ein steinerner Adler mit waagerecht ausgebreiteten
Schwingen und einem Kranz in den Klauen. Das Hakenkreuz
war mit ungenauen Meißelhieben entfernt worden.
    Sie saßen in einem großen Amtszimmer mit Stuckdecke
an einem runden Besprechungstisch. Wilhelm trommelte mit
den Fingern auf der Tischplatte, während Leo und Friedrich
von ihrem schauderhaften Fund auf dem Gelände der Möbelfabrik
erzählten. Die Sache gefiel Wilhelm überhaupt nicht.
    »Das nächste Mal sagt ihr mir Bescheid, wenn ihr in irgendwelchen
Bunkern herumschleichen wollt. Wenn Sommerbier
aufgetaucht wäre, lägen da jetzt vier Leichen im Stollen.«
    Daran zweifelte Leo keinen Augenblick. Wieder sah er das
Gesicht des erschossenen Soldaten im Jagdschloss vor sich.
Wilhelm hatte Recht.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum er die Leichen dort
eingemauert hat«, sagte Friedrich, dem die Zurechtweisung
offensichtlich peinlich war. »Wer waren die beiden? Warum
hat er sie umgebracht? Und wenn die Kisten mit der Wolowski-
Sammlung nicht im Stollen liegen – wo sind sie dann?«
    »Ich sorge dafür, dass jemand hinfährt, um die Toten zu
bergen«, sagte Wilhelm. »Vielleicht findet sich an den Leichen
irgendein Hinweis.«
    Leo verzog den Mund. Wer immer die beiden halb verwesten
Mordopfer aus dem Schacht holen würde – um diese Arbeit
beneidete er ihn nicht.
    Draußen wurden Stimmen laut. Hinter der Milchglasscheibe
zwischen Vorzimmer und Büro waren drei Schatten
zu erkennen. Dann ging die Tür auf und die rundliche Gestalt
von Major Parks erschien in der Tür.
    »Da sind ja die beiden jungen Herren«, sagte er, und an Wilhelm
gewandt: »Haben Sie sie inzwischen schon informiert?«
    »Nein«, sagte Wilhelm geheimnisvoll, während sich Leo und
Friedrich fragend ansahen. »Ich habe ihnen nichts verraten.«
    Hinter Parks tauchten zwei weitere Männer auf: ein britischer
Leutnant, der seine Mütze unter dem Arm trug, und
ein Mann in Zivil. Der Leutnant war um die dreißig Jahre
alt und hatte einen mit viel Pomade an den Kopf geklebten
Seitenscheitel. Der andere Mann war auffallend groß und gut
aussehend. Sein Gesicht wirkte intelligent.
    Leo, Friedrich und Wilhelm standen auf und Parks stellte
ihnen Leutnant Gordon Hunt und seine Begleitung, den Dolmetscher
Stefan Kugler, vor. Hände wurden geschüttelt. Dann
wandte sich Parks dem Leutnant zu und erklärte in knappen
Worten, welche Verbindung zwischen den beiden Jungen und
Wilhelm bestand. Zudem betonte er, dass sie sich alle über den
inoffiziellen Charakter des Ausflugs im Klaren sein müssten.
Kugler übersetzte.
    Auf

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