Schattenspur
oder er ein exzellenter Schauspieler war, meinte er es aufrichtig. Sie empfand eine Welle von Sympathie für ihn und Dankbarkeit und schalt sich ein wankelmütiges Huhn, das sich nicht entscheiden konnte, wie sie ihn einstufen sollte. Solche Probleme hatte sie bisher noch nie mit einem Menschen gehabt. In der Regel wusste sie ab dem ersten Kontakt, woran sie bei jemandem war.
Sie nickte. „Es ist ein Schutzzauber. Er enthält einen Türkis, ein Stück E i sen, Majoran, Teufelswurz und die Rinde eines heiligen Baums. Die einze l nen Zutaten schützen gegen das Böse. Alle zusammen gelten als besonders wir k sames Mittel.“ Aber nicht gegen Louis, obwohl er der Inbegriff des B ö sen war. Seine Macht musste in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen sein, da es ihm trotz nicht nur dieses Schutzzaubers gelungen war, ihrer Großmutter die Seele zu rauben.
Agent Scott hatte, während sie sprach, den Beutel abgetastet, ob sich das, was er fühlte, mit Kias Aufzählung deckte. Er schob ihr den Beutel hin. „Sie können ihn zu seiner verdienten Ruhe betten, Ms. Renard.“
Sie blickte ihn dankbar an und steckte den Beutel ein.
„Ihre Großmutter hat solche Zauber auch für andere Menschen angefe r tigt.“
Kia nickte. „Für jeden, der zu ihr kam und sie um Hilfe bat. Sie hat auch Lebensberatungen durchgeführt. Die Karten gelegt und dergleichen. Sie hat einen ausgezeichneten Ruf als Mambo. Als …“ Sie schluckte.
„Als Hohepriesterin Ihrer Religion.“ Agent Scott lächelte verständnisvoll.
Wieder empfand sie einen Anflug von Sympathie für ihn und fühlte sich von se i nem Lächeln wie in Wärme eingehüllt. Sein Verständnis verstärkte diese Empfindung. Sie erwiderte flüchtig sein Lächeln, ehe sie nickte.
„Ms. Renard“, übernahm Agent Halifax, „außer Ihrer Großmutter gibt es noch drei andere Fälle, in denen die Opfer katatonisch aufgefunden wurden. Alle hatten einen Ouanga-Beutel bei sich. Und eine Schwester im Kranke n haus sagte uns, dass alle diese Beutel von Ihrer Großmutter stammen. O b wohl keins der Opfer nach unseren Informationen Ihrer Religion angehört.“
Die Ouanga-Beutel! Das war also das Kriterium, nach dem Louis seine O p fer aussuchte. Wie er sie aufspürte. Jedes Amulett sandte etwas aus, das einer, der über so viel Macht verfügte wie er, spüren konnte. Nicht nur das. Er konnte auch fühlen, von wem es angefertigt worden war. Großmutter hatte auch Kias Beutel gemacht. Hatte er sie deshalb aufgespürt und nicht, weil sie den Beutel zu oft abgelegt hatte?
„Joy?“
Petes Stimme ließ sie zusammenzucken. Er blickte sie besorgt an, die be i den Agents lauernd. Mit Sicherheit sah man ihr an, dass sie etwas wusste, das sie bisher verschwiegen hatte. Sie schüttelte heftig den Kopf. „Meine Gro ß mutter ist bestimmt nicht dafür verantwortlich! Sie würde doch nicht selbst einen Ouanga-Beutel tragen, wenn das gefährlich wäre.“ Sie blickte von e i nem zum anderen und fühlte sich einer Panik nahe.
Agent Scott streckte ihr die Hand entgegen, als wollte er sie ihr auf den Arm legen, zog sie aber wieder zurück. „Beruhigen Sie sich bitte, Ms. Renard. Daran haben wir keinen Augenblick gedacht.“
Sie atmete auf. Für eine Sekunde.
„Uns stellt sich eine andere Frage.“ Halifax sah sie ernst an. „Ist es Zufall, dass die Opfer alle Kunden Ihrer Großmutter waren?“
Ganz gewiss nicht. Louis hatte sie gezielt ausgesucht, damit Kia sich ve r pflichtet fühlte, sich ihm zu unterwerfen, da er seine Opfer ohne die Amule t te nicht hätte finden können. Pete rettete sie, bevor sie antworten konnte.
„Agents, glauben Sie mir, Alma hat einer Menge Leute nicht nur hier im Viertel mit ihren, hm, Ritualen und Beratungen geholfen. Ich wage zu b e haupten, dass jeder vierte Einwohner von Savannah mindestens ein Mal ihre Dienste in Anspruch genommen hat. Und davon trägt wahrscheinlich die Hälfte so einen Beutel. Oder hat mal einen getragen. Also, die Wahrschei n lichkeit, dass der Täter zufällig jemanden erwischt, der einen trägt, ist gerade hier im Viertel relativ hoch.“
Zu Kias Erleichterung schienen sich die Agents damit zufriedenzugeben.
„Führt Ihre Großmutter eine Liste ihrer Kunden?“
Sie schüttelte den Kopf.
Wieder lieferte Pete die Erklärung. „So läuft das hier nicht. Wenn Alma a n fangen würde, die Namen ihrer Kunden aufzuschreiben, käme über die Häl f te niemals wieder in ihren Laden. Besonders nicht die Ratsuchenden.“ Er grinste.
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