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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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die Lasttiere blieben am Ufer zurück. Beim nächsten Mal würden es die Leute des Fährmanns leichter haben.
    Die Fähre hatte ein Viertel der Strecke zurückgelegt, als die morgendliche Stille von Hallas’ Gesang zerrissen wurde. Ich beneidete diejenigen nicht, die mit ihm fuhren. Der Gnom war ebenso ein Sänger wie ich eine Fee mit Flügeln. Hallas schrie aus voller Kehle, und zwar so falsch und laut, dass sein Lied bestimmt noch in Boltnik zu hören war. Und die Einwohner dieses Städtchens dürften kaum den Wunsch gehabt haben, dem Gnom ihre Dankbarkeit für diesen wunderbaren morgendlichen Weckgesang auszusprechen.
    »Der hört so schnell nicht mehr auf«, bemerkte Arnch grinsend und schob sich die Scheide mit seinem Schwert auf den Rücken. Über sein Kettenhemd hatte er eine mit Metallplatten verstärkte Lederjacke gezogen, dazu hatte er Arm- und Beinschienen sowie Kettenhandschuhe angelegt. Er fing meinen bestürzten Blick auf. »Das Grenzkönigreich ist nah. In meine Heimat muss ich in voller Rüstung zurückkehren.«
    »Bis zum Grenzkönigreich sind es noch mehr als zwei Wochen …«
    »Ja und?«
    H’san’kor! Verstehe einer diese Grenzreicher! Am liebsten würden sie wahrscheinlich auch noch in Eisen gepackt frühstücken. Die Nähe zu den östlichen Wäldern Sagrabas, den Gebieten der Ersten, hatte diese Menschen merkwürdige Angewohnheiten annehmen lassen.
    Inzwischen war Hallas nicht mehr zu bremsen und sang für zwei, um so die ganze Umgebung in Angst und Schrecken zu versetzen.
     
    Ob bartlos noch oder haarlos schon,
    Ob grüner Junge oder eisgrauer Greis –
    Wenn nur dein Geist um die Jugend weiß!
    Ob winters Frost oder sommers Glut –
    Stets hörst du, wie auf das Beil
    Der Hammer schlägt!
     
    Wenn erst verstummt der Chor
    Der Wälder am Fuße der Berge,
    Verstummt in sprachloser Furcht!
    Wenn erst aus allen Gräbern
    Hunderte von Toten auferstehen
    Voll von Grabesstaub!
     
    Wenn die Erde legt ihren Knochen bloß,
    Der bislang im Staub verborgen,
    Wenn die Flüsse zu Adern werden!
    Wenn sie schießen in vollem Schwall dahin
    Und lautlos das Herz der Berge durchbohren,
    Dann werden die Mauern fallen!
     
    Wenn im Schreckensgelärm der Schlacht
    Bar jeder Furcht, bar allen Verstands
    Die Totenheere aufziehen!
    Wenn sie auf Tausende von Soldaten stoßen,
    Auf die besten der bärtigen Jünglinge,
    Auch auf die kräftigsten!
     
    Wenn erst Schild auf Schild trifft,
    Wenn der Stahl laut klirrt
    Wenn das Schwert sich krümmt!
    Wenn erst die Wand der Toten
    So erbleicht wie Haar erbleicht,
    Wenn erst die Wand zerfällt!
     
    Wenn alle, die stehen geblieben,
    Schon zu schwach, um aufzuhalten
    Den Wahnsinn dieses Schwalls!
    Wenn neuerlich der Eifer sie packt,
    Gegeneinander zu ziehen,
    Wenn Ohnmacht obsiegt!
     
    Wenn erst den Bart durchtränkt
    Das Blut der Sterblichen,
    Das noch jedes Mütchen gekühlt!
    Wenn ein harter Kampf tobt,
    Der Streit der Hammer, der Schlag der Beile,
    Dann entscheidet sich das Schicksal!
     
    Ob der alte Greis Tod am Ende sammelt
    Voller Eifer all die Soldaten,
    Sie einzuhüllen in Grabeskälte!
    Ob winters Frost oder sommers Glut
    Stets warten wir, wie auf das Beil
    Der Hammer schlägt.
     
    Dreimal ließ Hallas eine Strophe unbeendet, weil er sein Frühstück dem Wasser anvertrauen musste.
    »Den armen Kerl hat’s sehr erwischt!«, stellte Ohm voller Mitleid fest.
    Unterdessen erreichte die Fähre das andere Ufer. Winzige Figuren, in denen ich meine Gefährten kaum noch erahnte, führten die Pferde herunter. Eine dieser Figuren fiel aufs Ufer und blieb dort liegen. Das musste Hallas sein.
    Dann kam die Fähre zurück.
    »Haltet euch bereit! Arnch, kümmer dich um die Lasttiere!«
    »Garrett! Kannst du mich auf den Arm nehmen?«
    »Was führst du jetzt schon wieder im Schilde, Kli-Kli?«
    »Nichts! Das ist mein völliger Ernst! Ich kann nicht schwimmen! Was denn, wenn ich ins Wasser falle?«
    »Setz dich einfach in der Mitte der Fähre hin, dann passiert dir nichts«, beruhigte ich ihn, wobei ich mir immer noch unschlüssig war, ob der Kobold nur wieder etwas ausheckte oder ob er wirklich nicht schwimmen konnte.
    »Ich habe aber Angst«, sagte er, und das klang aufrichtig.
    Die Fähre gewann an Geschwindigkeit, zehn Minuten später brachten wir bereits die Lasttiere an Bord. Sie leisteten keinen Widerstand. Die Aussicht, über den Fluss zu setzen, schreckte sie in keiner Weise. Nachdem wir sie an einem Geländer festgebunden hatten, gab Ohm dem Fährmann zu

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