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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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ertasten, immer in Dereks Kielwasser und sehr vorsichtig, um keinen Lärm zu machen.
    Als wir etwa zwanzig Schritte weit gekommen waren, entdeckte er einen Spalt, in den wir uns quetschen konnten. Wir waren kaum in der Lücke, als von draußen eine Stimme zu uns hereindröhnte.
    »Derek? Ich weiß, dass du hier bist. Ich bin’s, Dr. Davidoff.«
    Ich sah Derek an, aber er hatte den Kopf zur Seite gedreht und horchte.
    »Derek? Ich weiß, dass du das eigentlich nicht tun willst. Du willst Fortschritte machen. Das erreichst du nicht damit, indem du wegläufst.«
    Die Stimme änderte die Richtung, aus der sie kam – Davidoff ging über den Fabrikhof. Derek legte den Kopf schief und lauschte, dann flüsterte er: »Vier, nein, fünf Paar Füße. Jedes anderswo. Sie suchen.«
    In der Hoffnung, dass wir uns irgendwie verraten würden.
    »Derek? Du weißt genau, dass du nicht hier draußen sein solltest. Es ist nicht ungefährlich. Wir haben uns darüber unterhalten, weißt du noch? Du willst niemanden verletzen. Ich weiß das. Und du weißt, dass du unsere Hilfe brauchst, wenn du geheilt werden willst.«
    Ich sah auf. Dereks Kiefermuskeln arbeiteten, sein Blick war abwesend.
    »Ich könnte gehen«, flüsterte er. »Sie ablenken, und dann kannst du flüchten. Simon ist hier irgendwo. Du musst ihn nur …«
    »Du willst
zurückgehen?
Nachdem sie auf dich geschossen haben?«
    »Bloß mit Betäubungsmitteln.«
    »Bloß?
Bloß?
« Meine Stimme hob sich, ich kämpfte darum, leise zu sprechen. »Die jagen uns, Derek. Dr. Gill weiß, was ich bin.«
    »
Sie
hat’s gewusst. Das bedeutet noch nicht, dass die es auch wissen.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Er zögerte und hob den Kopf, als die Stimme draußen weitersprach.
    »Derek? Bitte. Ich möchte dir das hier einfach machen, aber du wirst uns helfen müssen. Komm raus, und wir reden miteinander. Das ist alles. Einfach nur reden. Wir werden keinerlei Disziplinarmaßnahmen verhängen, und wir werden dich nicht verlegen.«
    Derek bewegte sich neben mir. Er überlegte.
    »Du kannst nicht …«, begann ich.
    »Wenn du nicht rauskommst, Derek, dann werden wir dich finden, und dann
wirst
du verlegt. In ein Jugendgefängnis, dafür, dass du Chloe gekidnappt hast.«
    »Gekid…«, kreischte ich auf.
    Er schlug mir die Hand vor den Mund, bis ich ihm zu verstehen gab, dass ich still sein würde.
    Dr. Davidoff sprach weiter. »Es gibt jetzt schon dokumentierte Präzedenzfälle von unangebrachtem Verhalten ihr gegenüber. Wenn die Polizei die Akten sieht und unsere Aussagen aufnimmt, wirst du in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, Derek, und ich weiß, dass du das nicht willst. Selbst wenn sie dich verteidigt, wird man bei der Polizei einfach die Tatsachen berücksichtigen. Du bist ein sechzehnjähriger Junge, der mit einem vierzehnjährigen Mädchen weggelaufen ist.« Eine Pause. »Dir ist klar, dass sie erst vierzehn ist, oder nicht, Derek?«
    Ich schüttelte heftig den Kopf und flüsterte: »Er lügt. Ich bin letzten Monat fünfzehn geworden.«
    Dr. Davidoff sagte: »In den Augen der Polizei wird es aussehen wie ein klarer Fall von Kidnapping, möglicherweise auch von sexueller Belästigung.«
    »Sexueller …«, schnappte ich.
    Dereks wütender Blick brachte mich so wirkungsvoll zum Schweigen, wie seine Hand es getan hatte.
    »Die Entscheidung liegt bei dir, Derek. Mach jetzt Schwierigkeiten, und du schadest nur dir selbst.«
    Derek schnaubte, jetzt hatte Dr. Davidoff ihn verloren. Hätte er weiterhin an Dereks Furcht, andere zu verletzen, appelliert, dann hätte er Derek vielleicht irgendwann überzeugen und zum Aufgeben bewegen können. Aber Derek selbst zu drohen? Wie Simon gesagt hatte, das waren zwei vollkommen verschiedene Dinge.
    »Bleib hier«, flüsterte er. »Ich such uns einen Weg hier raus.«
    Ich hätte gern widersprochen und darauf bestanden, ihm zu helfen, aber ich hatte Dereks Nachtaugen nicht. Wenn ich anfing, auf der Suche nach einem Ausgang herumzustolpern, würde ich nur Dr. Davidoff und die anderen zu mir führen.
    Also blieb ich, wo ich war.

43
    E in paar Minuten später kam Derek zurück und führte mich wortlos zur Rückwand des Gebäudes, wo ein Fenster zerbrochen war. Es musste vernagelt gewesen sein, aber die Sperrholzplatte lag jetzt auf dem Boden.
    »Moment.«
    Er wischte die Scherben vom Fensterbrett und bildete mit den Händen eine Stufe für mich. Als ich durch die Öffnung kroch, blieb mein Ärmel an einer Scherbe im Rahmen hängen.
    Irgendwo in der

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