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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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zwang mich aber, weiterzusortieren. Es war niemand hier. Und wenn doch jemand hier war, dann war er nicht real. Genau so musste ich das angehen. Nicht zusammenfahren wie eine versengte Katze. Es durchstehen. Die Stimmen hören, die Visionen sehen und sie ignorieren.
    » … komm her …«
    Die Stimme kam jetzt vom anderen Ende des Raums. Ich hob einen roten Spitzenstring hoch, auf dessen Bügeletikett »Tori« stand, und dachte dabei an meine baumwollene Kleinmädchen-Unterwäsche.
    » … hier rüber …«
    Ich versuchte, mich auf die Frage zu konzentrieren, wie ich an bessere Unterwäsche kommen konnte, bevor irgendjemand meine Sachen wusch. Aber meine Hände begannen zu zittern, so viel Anstrengung kostete es mich, die Stimme zu ignorieren. Ein einziger Blick nur. Nur einer.
    Ich sah quer durch den Raum. Niemand da. Ich seufzte und sortierte weiter.
    » … Tür … geschlossen …«
    Ich sah zu der geschlossenen Tür hin. Der Tür, die mir schon zuvor aufgefallen war, was ein Beweis dafür war, dass die Stimme wirklich nur in meiner überaktiven Fantasie existierte.
    Wozu brauchst du einen Beweis? Was soll es denn sonst sein?
    Na toll. Jetzt waren es zwei Stimmen, die ich ignorieren musste.
    »Mach die Tür auf … etwas … muss dir zeigen …«
    Ha! Das war nun wirklich eine klassische Filmzeile.
Komm doch, wirf einen Blick hinter die geschlossene Tür, kleines Mädchen.
Ich lachte, aber überzeugend klang ich nicht gerade.
    Reiß dich zusammen. Krieg das unter Kontrolle, sonst lassen die dich hier nie raus.
    Mein Blick glitt zu der Tür hinüber. Es sah nach einem ganz normalen Abstellraum aus. Wenn ich wirklich glaubte, dass die Stimme nur in meinem Kopf existierte, was hinderte mich dann daran, sie aufzumachen?
    Ich ging zu der Tür hinüber, zwang mich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und wusste nur zu genau, dass ich die Nerven verlieren würde, sobald ich zögerte.
    »Gut … komm …«
    Ich packte den Türknauf, das Metall fühlte sich unter meinen Fingern kalt an.
    » … öffne …«
    Ich drehte den Knauf langsam zur Seite. Es ging eine Vierteldrehung weit und nicht weiter. Ich spielte daran herum.
    »Abgeschlossen.« Meine Stimme hallte durch den Waschmaschinenraum.
    Ich ruckelte noch etwas herum und versuchte es dann mit einem zackigen Drehen. Die Tür rührte sich aber nicht.
    »Schlüssel … finden … aufschließen …«
    Ich drückte die Finger gegen die Schläfen. »Die Tür ist verschlossen, und ich gehe jetzt rauf«, antwortete ich.
    Als ich mich umdrehte, rammte ich eine Wand aus solidem Fleisch und stieß zum zweiten Mal an diesem Tag ein kleinmädchenhaftes Quietschen aus. Dann sah ich auf und in dasselbe Gesicht, das den Schrei auch beim ersten Mal schon ausgelöst hatte.
    Ich stolperte nach hinten und wäre gefallen, wenn die Tür nicht unmittelbar hinter mir gewesen wäre. Derek machte keine Anstalten, mich aufzufangen. Er stand einfach mit den Händen in den Taschen da, während ich mein Gleichgewicht wiederfand.
    »Mit wem hast du geredet?«, fragte er.
    »Mit mir selbst.«
    »Hm.«
    »Und wenn du mich jetzt entschuldigst …«
    Als er sich nicht von der Stelle rührte, machte ich einen Schritt zur Seite, um mich an ihm vorbeizuschieben. Er versperrte mir den Weg.
    »Du hast einen Geist gesehen, stimmt’s?«, fragte er.
    Zu meiner eigenen Erleichterung brachte ich ein Lachen zustande. »Ich sag’s dir wirklich nicht gern, aber so was wie Geister gibt es nicht.«
    »Hm.«
    Sein Blick glitt durch den Waschmaschinenraum wie bei einem Polizisten auf der Suche nach einem flüchtigen Verbrecher. Als er den gleichen bohrenden Blick dann auf mich richtete, schien die Intensität seines Blicks meine Überzeugungskraft zu brechen.
    »Was siehst du, Chloe?«
    »Ich-ich-ich s-s-sehe gar …«
    »Mach langsam«, schnappte er ungeduldig. »Wie sehen sie aus? Reden sie mit dir?«
    »Das willst du wirklich wissen?«
    »Yeah.«
    Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und stellte mich dann auf die Zehenspitzen. Er beugte sich vor, um besser zu hören.
    »Sie tragen weiße Bettlaken mit Gucklöchern drin. Und sie rufen ›Buh‹!« Ich stierte zu ihm hinauf. »Und jetzt geh mir aus dem Weg.«
    Ich erwartete ein hämisches Grinsen, dass er die Arme verschränken und sagen würde: Versuch doch, mich aus dem Weg zu schieben, Kleine.
    Seine Lippen zuckten, und ich wappnete mich. Dann merkte ich aber, dass er lächelte. Mich auslachte.
    Er trat zur Seite. Ich fegte an ihm

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