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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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hier …«, flüsterte eine Stimme, so leise und trocken, dass es sich anhörte wie der Wind, der durch langes Gras strich, »… reden …«
    Ein Schatten ragte hinter mir auf. Ich wappnete mich für eine fürchterliche Vision als ich aufsah … und in Dereks Gesicht blickte.
    »Immer so schreckhaft?«, fragte er.
    »W-wo kommst denn du auf einmal her?«
    »Von oben.«
    »Ich warte auf …« Ich unterbrach mich und studierte seinen Gesichtsausdruck. »Du warst das, stimmt’s? Du hast Simon gesagt, er soll mir den Zettel …«
    »Simon hat mit dem Zettel nichts zu tun. Ich hab gewusst, wegen mir würdest du nicht kommen. Aber Simon?« Er sah auf die Uhr. »Für Simon kommst du sogar zu früh. Und, hast du es nachgesehen?«
    Darum also ging es. »Du meinst dieses Wort? Nek…«, ich schob die Lippen vor und probierte die Aussprache aus, »…
Nekromant?
Ist das richtig so?«
    Er überging meine Frage zur Aussprache. Unwichtig. Er lehnte sich an die Wand und versuchte es mit Lässigkeit, Desinteresse vielleicht sogar. An seinen Fingern, die sich öffneten und wieder schlossen, erkannte ich trotzdem, wie gespannt er darauf war, meine Antwort zu hören, meine Reaktion zu sehen.
    »Hast du’s also nachgesehen?«, fragte er wieder.
    »Hab ich. Und, na ja, ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll.«
    Er rieb die Hände an seinen Jeans, als wolle er sie abtrocknen. »Okay. Du hast also danach gesucht, und …«
    »Es war nicht das, was ich erwartet habe.«
    Wieder mit den Handflächen über die Jeans, dann schloss er die Hände zu Fäusten. Verschränkte die Arme. Nahm sie wieder auseinander. Ich sah mich um, zog die Sache in die Länge, bis er sich vorbeugte und vor Ungeduld fast auf den Füßen zu wippen begann.
    »Also …«, drängte er.
    »Na ja, ich muss zugeben …«, ich atmete tief ein, »ich hab’s eigentlich nicht so mit Computerspielen.«
    Seine Augen wurden zu Schlitzen, und sein Gesicht verzog sich. »Computerspielen?«
    »Videospiele? RPG s? Ich hab mal ein paar gespielt, aber nicht die Sorte, von der du redest.«
    Er musterte mich, sehr wachsam, als fragte er sich, ob ich nicht wirklich in ein Heim für Verrückte gehörte.
    »Aber wenn ihr Jungs darauf steht?« Ich lächelte ihn strahlend an. »Ich wäre schon bereit, es mal damit zu probieren.«
    »Damit?«
    »Den Spielen. Rollenspiele, stimmt’s? Bloß, ich glaube nicht, dass der Nekromant das Richtige für mich ist. Trotzdem, danke für den Vorschlag.«
    »Vorschlag …«, wiederholte er langsam.
    »Dass ich einen Nekromanten spiele? Das, was du mich hast nachschlagen lassen, stimmt’s?«
    Seine Lippen öffneten sich, und seine Augen wurden rund, als er zu begreifen begann. »Nein, ich hab damit nicht gemeint …«
    »Ich glaube schon, dass es cool sein könnte, einen Charakter zu spielen, der die Toten beschwören kann, aber weißt du, es passt einfach nicht so ganz zu mir. Bisschen zu dunkel. Zu emo, weißt du? Ich würde lieber einen Magier spielen.«
    »Ich habe nicht …«
    »Ich brauche also kein Nekromant zu sein? Danke. Weißt du, es ist wirklich nett, dass ihr euch so eine Mühe macht, damit ich mich willkommen fühle. Richtig lieb.«
    Als ich ihm mit einem zuckersüßen Lächeln ins Gesicht sah, ging ihm schließlich doch noch auf, dass ich ihn veralberte. Sein Gesicht wurde finster. »Ich hab dich nicht zu einem Spiel eingeladen, Chloe.«
    »Nein?« Ich riss die Augen auf. »Aber warum hast du mich dann auf diese ganzen Websites geschickt? Mir Bilder von irgendwelchen Verrückten gezeigt, die Armeen von verrotteten Zombies beschwören? Besorgst du dir auf diese Art deinen Kick, Derek? Den Neuen hier Angst machen? Na ja, jetzt hast du deinen Spaß gehabt, und wenn du mich noch mal in die Ecke treibst oder in den Keller lockst …«
    »Dich locken? Ich hab versucht, mit dir zu reden!«
    »Nein.« Ich hob den Blick zu seinem Gesicht. »Du hast versucht, mir Angst zu machen. Mach das noch mal, und ich sag den Schwestern Bescheid.«
    Als ich mir das Drehbuch für die Szene im Kopf zurechtgelegt hatte, hatten die Zeilen stark und trotzig geklungen – die Neue, die sich gegen den Haustyrannen zur Wehr setzte. Aber als ich sie jetzt aussprach, hörte ich mich an wie eine verzogene Göre, die zu petzen drohte.
    Dereks Augen wurden hart wie grüne Glassplitter, und sein Gesicht verzerrte sich, bis es kaum noch menschlich wirkte. Von einem Augenblick auf den anderen strahlte es eine Wut aus, die mich nach hinten stolpern ließ, fort

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