Schattenstunde
wahrheitsgemäß, dass heute alles bestens gelaufen sei.
Ich kam ohne das geringste Problem durch die Sitzung. Am Ende teilte er mir mit, dass ich mich »wunderbar, einfach wunderbar« machte, klopfte mir wieder auf den Rücken und führte mich aus dem Zimmer.
Als ich an der offenen Tür des Medienraums vorbeikam, warf ich einen Blick ins Innere. Derek saß am Computer. Er wandte mir den Rücken zu und spielte etwas, das nach einem Strategiespiel aussah. Auch Simon spielte etwas auf seinem Nintendo DS . Er hing seitlich in einem Sessel, seine Beine baumelten über die Armlehne.
Als er mich sah, setzte er sich auf. Sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas zu mir herüberrufen.
»Wenn du was zu essen holen gehst, bring mir eine Cola mit«, sagte Derek, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Du weißt ja, wo sie sie versteckt haben.«
Simon zögerte, sein Blick schoss zwischen Derek und mir hin und her. Sein Bruder hatte ihm gerade die perfekte Entschuldigung geliefert, um aus dem Zimmer zu verschwinden und mit mir zu reden, aber er zögerte immer noch, als vermutete er eine Falle oder einen Test. Derek konnte unmöglich wissen, dass ich hier war, hinter ihm, aber Simon ließ sich trotzdem in seinen Sessel zurücksacken.
»Wenn du eine Cola willst, hol sie dir selbst.«
»Ich hab ja nicht gesagt, du sollst eine holen. Ich hab gesagt, wenn du sowieso gehst.«
»Tu ich aber nicht.«
»Dann sag’s doch einfach. Was ist heute Abend eigentlich mit dir los?«
Ich ging weiter.
Ich traf Rae im Esszimmer. Ihre Hausaufgaben waren über den ganzen Tisch ausgebreitet.
»Du hast einen DS , stimmt’s?«, fragte ich.
»Yep. Hat aber bloß Mario Kart drauf. Willst du ihn ausleihen?«
»Ja, wenn’s geht.«
»Liegt auf meiner Kommode.«
Ich ging ein zweites Mal an der Tür des Medienzimmers vorbei. Die beiden Jungs waren immer noch da und sahen aus, als hätten sie sich in der Zwischenzeit nicht von der Stelle gerührt. Auch dieses Mal sah Simon auf, als ich vorbeikam. Ich schwenkte Raes DS und zeigte auf ihn. Er grinste und hob unauffällig den Daumen.
Jetzt brauchte ich noch einen Ort innerhalb der Sendereichweite. Ich hatte zu Hause selbst einen DS und wusste, dass ich bis zu einem Abstand von fünfzehn Metern eigentlich eine Verbindung bekommen sollte. Das Medienzimmer lag zwischen dem Foyer und dem Unterrichtsraum, und in keinem davon durften wir in unserer Freizeit herumhängen. Aber das Medienzimmer lag außerdem unmittelbar unter dem Mädchenbad. Also ging ich hinauf, rief PictoChat auf und betete darum, dass ich eine Verbindung zu Simons Gerät bekommen würde.
Ich bekam sie.
Ich verwendete den Stylus, um auf dem Bildschirm zu schreiben:
willst du reden?
Er zeichnete ein Häkchen, schrieb ein D und zeichnete dann etwas, das ich nach einem Moment des Überlegens als ein Auge erkannte. Ja, er wollte reden, aber Derek behielt ihn im Auge.
Bevor ich antworten konnte, schickte er mir eine weitere Nachricht:
D
8
?
, dann ein Kästchen mit dem Wort »Seife« darin, umgeben von Blasen. Ich brauchte eine Weile, aber schließlich interpretierte ich dies als »Derek duscht gegen acht«.
Er löschte die Mitteilung und zeichnete eine
8
, gefolgt von dem Wort
Garten
. Treffen wir uns um acht Uhr draußen.
Ich schickte ein Häkchen zurück.
19
U m zehn vor acht war ich damit beschäftigt, Rae beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine zu helfen. Draußen im Flur hörte ich Simon fragen, ob er hinausgehen und Ball spielen durfte, während Derek duschte. Mrs. Talbot wies darauf hin, dass es bald dunkel werden würde und er nicht lange draußen bleiben konnte, aber sie schaltete die Alarmanlage aus und ließ ihn gehen. Als die Maschine ausgeräumt war, sagte ich zu Rae, ich würde mich später wieder melden und schlich mich ins Freie.
Wie Mrs. Talbot gesagt hatte, begann es bereits zu dämmern. Der Garten war lang und von großen Bäumen eingefasst, was die Dämmerung noch tiefer wirken ließ. Der Basketballkorb hing über einem asphaltierten Platz, der von der Lampe über der Hintertür nicht mehr erhellt wurde. Ich sah nur das weiße Aufblitzen von Simons T-Shirt und hörte das dumpfe Platsch-platsch-platsch des Balls auf dem Asphalt. Ich schlug einen Bogen in Simons Richtung.
Er sah mich nicht kommen, sondern dribbelte einfach weiter, den Blick auf den Ball gerichtet, das Gesicht ernst.
Ich hielt mich im Schatten, ging ein paar Schritte näher und wartete darauf, dass er mich bemerken würde.
Weitere Kostenlose Bücher