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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Blick zu. »Gar nicht komisch, Bro.«
    Derek fuhr sich mit allen zehn Fingern durch das nasse Haar. »War auch nicht so gemeint. Geister sehen, das ist nicht leicht geheim zu halten. Nicht so wie Formelsprechen. Nach dieser Sache mit Dr. Davidoff und Gill heute Morgen … ich hab einen Teil von dem mitgekriegt, was sie gesagt haben …« Derek warf mir einen Seitenblick zu. »Bin einfach vorbeigekommen und hab gehört …«
    »Sie weiß Bescheid über dein Gehör, Bro.« Derek sah Simon finster an, aber der zuckte nur die Schultern und fügte hinzu: »Sie ist von allein dahintergekommen. Sie ist nicht dumm. Also, du hast gehört?«
    Er unterbrach sich und hob den Kopf. »Da kommt jemand.«
    »Jungs? Chloe?«, rief Mrs. Talbot die Treppe hinauf. »Zeit für euren Snack. Kommt runter.«
    Simon schrie zurück, wir seien unterwegs.
    »Moment noch«, sagte ich. »Du hast die Ärzte reden hören. Worüber also?«
    »Dich. Und darüber, ob Lyle House der richtige Ort für dich ist.«

25
    V ersuchte Derek, mir Angst zu machen? Vor ein paar Tagen hätte ich dem, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, zugestimmt. Aber inzwischen wusste ich, dass er einfach nur ehrlich war. Er hatte es gehört und weitergegeben, ohne jeden Versuch, den Schlag abzumildern, weil ihm dieser Gedanke ganz einfach nicht gekommen wäre.
    Aber das machte mich, als die Schwester den Kopf in unser Zimmer streckte und die Schlafenszeit ankündigte, nur noch entschlossener, wenigstens eine Frage beantwortet zu bekommen.
    »Mrs. Talbot?«
    »Ja, Liebes?« Ihr Kopf erschien wieder im Türspalt.
    »Können wir nicht allmählich mal Liz anrufen? Ich würde wirklich gern mit ihr reden. Ihr das mit gestern Abend erklären.«
    »Du brauchst da nichts zu erklären, Liebes. Liz ist es, die ein fürchterlich schlechtes Gewissen hat, weil sie dir so einen Schreck eingejagt hat. Ich bin sicher, am Wochenende werdet ihr sie anrufen können.«
    »Am
Wochenende?
«
    Sie schlüpfte zu uns ins Zimmer und zog die Tür hinter sich ins Schloss. »Die Ärzte dort haben mir erzählt, dass Liz ein paar Eingewöhnungsschwierigkeiten hat.«
    Rae setzte sich im Bett auf. »Was stimmt denn nicht?«
    »Man nennt es posttraumatischen Stress. Die letzte Nacht hier im Haus war sehr verstörend für sie. Und die Ärzte in ihrem neuen Wohnheim wollen nicht, dass sie daran erinnert wird.«
    »Und wenn ich es gar nicht erwähne?«
    »Auch einfach mit ihr zu reden wird sie daran erinnern, Liebes. Aber sie sagen, dass sie sich bis Sonntag eigentlich erholt haben sollte. Allerspätestens nächste Woche.«
    Die Furcht zupfte an mir wie mit Fingern.
    Nicht jetzt, Liebes.
    Vielleicht am Wochenende.
    Vielleicht nächste Woche.
    Vielleicht nie.
    Ich sah zu Rae hinüber, aber statt ihrer sah ich Liz auf der Bettkante sitzen und die Zehen krümmen, so dass die violetten und orangefarbenen Giraffen tanzten.
    Die tote Liz.
    Die Geisterliz.
    Das war natürlich vollkommen lächerlich. Selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre, mir einen Grund einfallen zu lassen, warum man in Lyle House Teenager umbringen sollte – was war mit den Familien? Wir waren doch keine Straßenkinder und Ausreißer. Die Leute, die hierher kamen, hatten Eltern, die bemerken würden, wenn sie einfach verschwanden. Es bemerken und handeln würden.
    Andererseits, bist du dir da wirklich sicher? Was wäre mit Raes Eltern? So aufmerksam und besorgt, ständig rufen sie an und besuchen sie? Und Simons und Dereks Dad, der unsichtbare Mann?
    Ich wälzte mich auf die Seite und zog mir das Kopfkissen über die Ohren, als könnte ich die Stimme in meinem Kopf damit zum Verstummen bringen.
    Dann fiel mir wieder etwas ein, das Simon vorhin gesagt hatte. Astralprojektion. Es gab eine paranormale Spezies, deren Angehörige ihren Körper verlassen und teleportieren konnten. Konnten Nekromanten auch solche teleportierenden Geister sehen? Ich hätte wetten mögen, dass sie es konnten. Der Geist, das musste doch wohl der Teil sein, der den Körper verließ, ob es nun im Tod oder bei einer Astralprojektion war.
    Das also war es, was Liz war. Eine … wie hatte er es doch genannt? Eine Schamanin. Sie hatte sich hierher astralprojiziert, und ich hatte sie gesehen. Vielleicht erklärte das, weshalb ich sie sehen und hören konnte, die Geister aber nicht. Es könnte auch das mit dem Poltergeist erklären. Liz betrieb diese Projiziererei, ohne es selbst zu wissen, und warf Dinge durch die Gegend.
    Das musste die Antwort sein.

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