Schattenstunde
Fähigkeiten – deine und seine zum Beispiel – einfach nicht zu erklären sind und Menschen sie deswegen auf Geisteskrankheiten schieben. Manche Jugendliche in Heimen könnten Paranormale sein. Die meisten sind keine. Du solltest mit ihm drüber reden, er kann solches Zeug besser erklären.«
»Okay, dann also zurück zu mir. Was wollen diese Geister?«
Er zuckte die Achseln. »Hilfe, nehme ich mal an.«
»Bei was? Warum von mir?«
»Weil du sie hören kannst«, sagte Derek im Hereinkommen, während er sich noch die Haare mit einem Handtuch trockenrubbelte. »Hat wenig Sinn, mit jemandem zu reden, der einen nicht hören kann.«
»Ach
nee
.«
»Immerhin hab
ich
es nicht gesagt.«
Ich stierte ihn wütend an, aber er hatte mir den Rücken zugewandt und faltete sein Handtuch sorgfältig zusammen, um es über den Schreibtischstuhl zu hängen.
»Was meinst du, wie viele Nekromanten da draußen so rumrennen?«, fuhr er fort.
»Woher soll ich das wissen?«
»Wenn die Antwort ›eine ganze Menge‹ lautete, meinst du nicht, dass du irgendwann schon mal von ihnen gehört hättest?«
»Sachte, Bro«, murmelte Simon.
»Wir haben es mit ein paar Hundert im gesamten Land zu tun.« Derek zerrte sich einen Kamm durch das nasse Haar. »Bist du jemals einem Albino begegnet?«
»Nein.«
»Statistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit, dass du einem Albino begegnest, etwa dreimal höher als die, einen Nekromanten zu treffen. Und jetzt stell dir vor, du wärst ein Geist. Wenn du einen Nekro entdeckst, ist das etwa so, als wärst du auf einer einsamen Insel gestrandet und sähst ein Flugzeug über dir. Würdest du versuchen, es auf dich aufmerksam zu machen? Selbstverständlich. Und die Frage, was sie wollen?« Er drehte den Schreibtischstuhl um und setzte sich mit gespreizten Beinen quer darüber. »Wer weiß? Wenn du ein Geist wärst und in das eine Lebewesen reinrennen würdest, das dich hören kann, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass du dann irgendwas wollen würdest. Wenn du wissen willst, was das ist, wirst du sie fragen müssen.«
»Leichter gesagt als getan«, murmelte ich.
Dann erzählte ich ihnen von dem Geist im Keller.
»Es könnte immer noch irgendwas da unten sein. Irgendwas, das ihr nicht gefunden habt. Etwas, das ihm wichtig ist.« Er kratzte sich geistesabwesend an der Wange, zuckte zusammen und zog die Hand zurück. »Vielleicht ein Papier oder etwas, von dem er möchte, dass du es seiner Familie gibst.«
»Oder Hinweise auf seinen Mörder«, sagte Simon. »Oder ein vergrabener Schatz.«
Derek warf ihm einen Blick zu und schüttelte dann den Kopf. »Vergiss es, wahrscheinlich ist es irgendwas Albernes, zum Beispiel ein Brief, den er vergessen hat, seiner Frau zu geben. Unwichtig.«
In meinen Ohren klang das nicht albern. Oder unwichtig. Im Gegenteil, irgendwie war es romantisch. Der Geist, der viele Jahre lang wartet, um den nie zugestellten Brief an seine Frau doch noch weiterzuleiten … Sie ist inzwischen eine alte Frau in einem Heim … Nicht meine Sorte Film, aber als albern hätte ich es nicht bezeichnet.
»Was es auch ist«, sagte ich, »es kommt nicht drauf an, denn solange ich auf diesen Pillen bin, kriege ich sowieso keinen Kontakt hin und kann ihn nicht fragen.«
Derek wischte sich einen Tropfen Blut von der Wange, wo er einen Pickel aufgekratzt hatte. Er runzelte genervt die Stirn. Seine Gereiztheit war auch seiner Stimme noch anzuhören, als er schnappte: »Dann musst du eben aufhören, diese Pillen zu nehmen.«
»Würde ich gern, glaub mir. Aber nach dem, was letzte Nacht passiert ist, haben sie mich zu Urintests verdonnert.«
»Autsch. Das ist hart.« Simon verstummte sekundenlang und schnippte dann mit den Fingern. »Hey, ich hab eine Idee. Ist irgendwie eklig, aber was, wenn du die Pillen nimmst und zerdrückst und sie dann mit dem, du weißt schon, dem Urin mischst?«
Derek starrte ihn an.
»Was?«
»Du hast letztes Jahr schon in Chemie bestanden, oder?«
Simon hob einen Mittelfinger in seine Richtung. »Okay, Superhirn, was würdest du also vorschlagen?«
»Ich denke drüber nach. Wir sollten sie von diesen Medikamenten runterkriegen. Ist mir zwar nicht weiter wichtig, was dieser Geist will, aber er könnte hilfreich sein. Solange wir einen willigen Gesprächspartner haben, sollte Chloe die Situation nutzen, damit sie lernen kann. Es ist ja nicht so, als ob sie nicht sowieso hier festhinge … außer natürlich, die verlegen sie.«
Simon warf ihm einen
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