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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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gleichzeitig das andere geglaubt. Das war doch die gängige Definition von
falsch
, oder?
    »Ich verstehe schon, dass du für dieses Mädchen nichts übrig hast …«
    »Ich hasse sie. Taucht hier auf, sorgt dafür, dass meine beste Freundin rausgeschmissen wird, blamiert mich vor den Schwestern und Ärzten, stiehlt meinen Typen …« Sie brach ab und murmelte: »Wie auch immer, sie hat’s verdient.«
    »Was war das mit einem Jungen?« Die Stimme ihrer Mutter klang scharf und abrupt.
    »Nichts.«
    »Hast du dich mit einem von den Jungen hier eingelassen, Tori?«
    »Nein, Mom, ich hab mich mit niemandem hier
eingelassen

    »Rede nicht in diesem Ton mit mir. Und putz dir die Nase. Ich verstehe dich kaum bei dem ganzen Geschniefe.« Eine Pause. »Ich werde dich das noch genau ein Mal fragen. Wie war das mit dem Jungen?«
    »Ich habe nur …« Tori atmete so tief ein, dass ich es hören konnte. »Ich mag einen von den Jungs hier, und Chloe weiß das. Also ist sie hinter ihm her, nur um mir eins auszuwischen.«
    Hinter ihm her?!
    »Welcher Junge ist es?« Ihre Mutter sprach jetzt so leise, dass ich Mühe hatte, sie zu verstehen.
    »Oh, Mom, es ist wirklich nichts Wichtiges. Es ist einfach …«
    »Komm mir bloß nicht mit ›oh, Mom‹. Ich glaube, ich habe sehr wohl noch das Recht, mir Gedanken zu machen …« Ihre Stimme sank noch weiter ab. »Erzähl mir jetzt nicht, dass es Simon ist, Tori. Wage es ja nicht, mir zu erzählen, dass es Simon ist. Ich hab dich gewarnt, dir gesagt, du sollst dich von diesem Jungen fernhalten.«
    »Warum? Er ist doch okay. Er kriegt nicht mal Medikamente. Ich mag ihn eben, und … Au! Mom! Was machst du da?«
    »Ich sorge dafür, dass du mir zuhörst. Ich habe dir gesagt, dass du dich von ihm fernhalten sollst, und ich erwarte, dass du dich daran hältst. Du hast schon einen Freund. Mehr als einen, wenn ich mich recht erinnere. Nette Jungen, die darauf warten, dass du hier wieder rauskommst.«
    »Yeah, als ob das in absehbarer Zeit passieren würde.«
    »Es wird passieren, wenn du beschließt, dass es passieren soll. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie peinlich es für ein Mitglied des Komitees ist, wenn ihre eigene Tochter hier endet? Gut, ich sage dir jetzt etwas, Miss Victoria: Es ist nicht annähernd so demütigend wie die Tatsache, dass sie zwei Monate später immer noch da ist.«
    »Das hast du mir schon mal gesagt. Tausendmal. Immer wieder.«
    »Nicht oft genug offenbar, sonst würdest du ja irgendwas unternehmen, versuchen, Fortschritte zu machen, zum Beispiel.«
    »Ich versuch’s doch!« Toris Stimme hob sich zu einem frustrierten Aufheulen.
    »An all dem ist nur dein Vater schuld, diese hemmungslose Verwöhnerei. Du hast im ganzen Leben nie um etwas kämpfen müssen, nie gewusst, wie es ist, etwas zu wollen.«
    »Mom, ich gebe mir Mühe …«
    »Du weißt nicht mal, was es heißt, sich Mühe zu geben.« Der Ton war jetzt so gehässig, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief. »Du bist verwöhnt und faul und egoistisch, und es ist dir vollkommen egal, wie sehr du mich verletzt, mich dastehen lässt wie eine lausige Mutter, meinen professionellen Ruf ruinierst …«
    Toris Antwort war ein Aufschluchzen, bei dem sich mir der Magen umdrehte. Ich zog die Knie an die Brust und rieb mir mit beiden Händen über die Arme.
    »Mach dir mal keine Sorgen wegen Chloe Saunders.« Die Stimme ihrer Mutter sank zu einem Zischen ab. »Sie wird nicht annähernd so schnell hier rauskommen, wie sie glaubt. Mach dir lieber Gedanken wegen Tori Enright und wegen mir. Sorg dafür, dass ich stolz auf dich sein kann, Tori. Mehr verlange ich gar nicht.«
    »Ich vers…« Sie unterbrach sich. »Versprochen.«
    »Ignorier Chloe Saunders und ignorier Simon Bae. Keiner von ihnen ist es wert, dass du deine Zeit mit ihnen verschwendest.«
    »Aber Simon …«
    »Hast du mich verstanden? Ich will dich nicht in der Nähe dieses Jungen haben. Er macht nur Ärger. Er und sein Bruder. Sollte ich jemals mitbekommen, dass du dich mit ihm alleine triffst, dann verschwindet er von hier. Dann sorge ich dafür, dass er verlegt wird.«
     
    Lebenserfahrung. Ich kann mir vornehmen, dass ich meinen Horizont erweitern werde, aber ich bin nach wie vor auf die Erfahrungen meines eigenen Lebens beschränkt.
    Wie kann man eine Erfahrung begreifen, die vollkommen außerhalb der eigenen Erfahrungswelt liegt? Man kann sie sehen, nachempfinden versuchen, sich ausmalen, wie es wäre, sie selbst zu erleben, aber das alles

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