Schattenstunde
dem Zweiersofa hinüber. Gereiztheit flackerte über sein Gesicht – Bequemlichkeit war ein störendes Detail, für das er nichts übrig hatte –, aber als ich mich auf einen Sessel gegenüber gesetzt hatte, schlurfte er zu dem Sofa hin. Wenn er nicht wieder ins Bett gehen wollte, konnte er sich so wenigstens ausruhen, während wir redeten.
»Du weißt ein bisschen was über Nekromantie, stimmt’s?«, fragte ich.
Er zuckte die Achseln. »Ich bin kein Experte.«
»Aber du weißt mehr als ich, Simon oder irgendwer sonst, mit dem ich im Moment reden könnte. Wie nehmen Nekromanten Kontakt zu den Toten auf?«
»Wie den Typ im Keller, meinst du? Wenn er hier wäre, müsstest du ihn sehen können. Und dann würdest du einfach mit ihm reden, so wie wir’s gerade machen.«
»Ich meine, wie kontaktiert man eine bestimmte Person. Kann ich das? Oder muss ich mich an die Leute halten, die ich zufällig treffe?«
Er wurde still. Als er wieder sprach, klang seine Stimme uncharakteristisch sanft. »Wenn du jetzt von deiner Mom redest, Chloe …«
»Nein.« Es kam schärfer heraus, als ich beabsichtigt hatte. »Ich hatte nicht mal dran gedacht. Das heißt, doch, ich habe dran gedacht, als Möglichkeit in der Zukunft vielleicht, natürlich würde ich gern, ich würde so gern …« Ich hörte, wie ich ins Faseln geriet, und atmete tief ein. »Das hier hat mit unserer Situation zu tun.«
»Meinst du Liz?«
»Nein. Ich-ich-ich sollte versuchen, Kontakt zu ihr aufzunehmen, nehme ich an. Ei-einfach um sicherzugehen. Aber das ist es nicht. Vergiss einfach die Frage, warum ich es wissen will.«
»Wenn ich es wüsste, könnte ich aber viel einfacher antworten.«
Schon möglich, aber ich würde es ihm nicht sagen, bevor ich nicht genug Material hatte, um meine Theorie darlegen zu können.
»
Wenn
es möglich ist, eine bestimmte Person zu kontaktieren, wie würde man das anstellen?«
»Es ist möglich, aber es ist nicht einfach, und in deinem Alter gibt es auch keine Garantie, dass es klappt. Wie bei Simon und seinen Formeln. Ihr seid beide im … Lehrlingsstadium.«
»In dem ich Dinge versehentlich tun kann? Die Toten beschwören zum Beispiel?«
»Hm, nein.« Er kratzte sich geistesabwesend am Arm, das
Ritsch-ritsch
-Geräusch erfüllte die Stille. »Nach allem, was ich gehört habe, ist es so ziemlich das Schwierigste überhaupt, die Toten zu beschwören. Und es gehört dieses komplizierte Ritual dazu.« Er schüttelte den Kopf und hörte auf zu kratzen. »Ich muss da was falsch verstanden haben. Wie gesagt, ich bin kein Experte.«
»Zurück zum Wie dann also. Wie rufe ich einen bestimmten Geist?«
Er ließ sich nach hinten fallen, legte den Kopf auf die Sofalehne und starrte zur Decke hinauf, bevor er nickte, als bestätigte er sich selbst etwas. »Wenn ich mich da richtig erinnere, gibt es zwei Methoden. Du kannst ein persönliches Besitzstück verwenden.«
»Wie bei einem Spürhund.«
Ein leises Geräusch, das sich anhörte wie ein Lachen. »Yeah, ich nehm’s an. Oder wie diese Hellseher, die man in Filmen zu sehen kriegt. Die fragen auch immer nach irgendwas, das demjenigen gehört hat.«
»Und die zweite Methode?« Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mir die Antwort wünschte, wie sehr ich hoffte, dass ich sie bereits erraten hatte.
»Du musst am Grab sein.«
Mein Herz hämmerte, und es dauerte Sekunden, bis ich wieder sprechen konnte. »Am Grab. Immer vorausgesetzt, dort ist der Betreffende wirklich begraben. Es ist die Leiche, auf die es ankommt, nicht das Grab.«
Er tat meine pedantische Unterscheidung mit einer Handbewegung ab. Der alte Derek kam wieder zum Vorschein. »Yeah, der Körper. Das ultimative Stück persönlicher Besitz.«
»Dann glaube ich, dass ich weiß, was dieser Geist im Keller gewollt hat.«
Ich erzählte ihm, wie der Geist mich gedrängt hatte, andere Geister zu beschwören: »nimm Kontakt … musst ihre Geschichte … entscheidend …«
»Er hat von den verscharrten Leichen geredet. Deswegen wollte er, dass ich in diesen Kriechkeller gehe. Damit ich nahe genug an die Leichen rankomme, um ihre Geister erreichen zu können.«
Derek griff nach hinten, um sich zwischen den Schulterblättern zu kratzen. »Warum?«
»Nach dem, was er gesagt hat, geht es wohl um Lyle House. Irgendwas, das sie mir erzählen könnten.«
»Aber diese Leichen sind schon viel länger da unten, als Lyle House ein Heim ist. Und wenn dieser Geist irgendwas weiß, warum erzählt
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