Schattensturm
er sie gleich …
Es passiert nicht. Du drehst durch. Du bist wahnsinnig. Du brauchst Medikamente. Du brauchst einen Psychiater. Du bist krank.
Sie sagte es in ihren Gedanken auf wie ein Mantra, während die Tränen über ihr Gesicht rannen. Vielleicht würde es wahr werden, wenn sie nur fest genug daran glaubte. Vielleicht konnte sie fest genug daran glauben, wenn sie es nur oft genug dachte.
Sie erreichten die Waschräume. Einer von ihnen betätigte einen Schalter. Grelles Neonlicht flackerte über ihnen auf. Jemand öffnete ihre Handschellen. »Du kannst jetzt duschen«, erklärte eine harte Stimme. Sie gehörte dem Ältesten der Gruppe, graue kurze Haare, ein brauner Schnurrbart, ein unscheinbares Gesicht, wahrscheinlich Familienvater. Keine Regung war in seiner Miene zu erkennen.
Die Regungen in den Gesichtern der anderen waren dafür nur zu deutlich. Der Junge grinste über beide Ohren. Er war bestimmt noch keine zwanzig. Der mit der weichen Stimme war etwas älter, dreiundzwanzig vielleicht, kurzes schwarzes Haar, gebrochene Nase, breite Schultern. Er hatte die Miene eines Fleischers. »Nicht schlecht«, kommentierte er, als er seinen gierigen Blick ihren Körper entlang wandern ließ. Die Stimme wollte nicht zu seinem Äußerenpassen. Der Letzte war ungefähr dreißig und erinnerte sie, abgesehen davon, dass er etwas kleiner war, stark an Thomas, ihren letzten Freund. Er war nicht Thomas, aber er hatte dieses gleiche Lächeln, das Mädchenherzen schmelzen ließ, wenn man es nicht genau kannte und durchschaute.
Drei von ihnen starrten sie an. Nur der Familienvater stand abseits, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Sie trugen ihre Uniform, mit Schlagstöcken, Pistolen und Schirmmützen. Sie versuchte, die Beulen zu ignorieren, die sich unter ihren Gürtelschnallen gebildet hatten.
»Bitte«, flehte sie. »Bitte …« Ihre Stimme versagte. Sie fand auch keine Worte mehr. Gab es überhaupt Worte, die sie aus ihrer Lage retten konnten?
Bitte, lasst mich gehen, ich will doch bloß leben, bitte zerstört mich nicht!
, dachte sie verzweifelt, aber das würde die Männer ebenso unberührt lassen wie alles andere.
»Zieh dich aus«, meinte der Fleischer mit der weichen Stimme und dem harten Gesicht, während er quietschend einen Hahn aufdrehte. »Ab in die Dusche!« Wasser begann zu rauschen.
»Oh, Gott,
bitte
–«
Der Thomas machte einen energischen Schritt in ihre Richtung. Hastig zog sich Veronika das Sweatshirt über den Kopf. Sie trug darunter nur den BH, für ein T-Shirt war ihr der Tag schon lange viel zu heiß gewesen. Das Grinsen des Jungen wurde breiter. Auch die anderen beiden konnten sich die Vorfreude nicht mehr verkneifen.
Veronika zog sich weiter aus und ließ sich Zeit dabei.
Das ist nicht schlimm. Du weißt, was auf dich zukommt
, dachte sie währenddessen.
Es ist wie beim Frauenarzt. Mach die Augen zu und denk an etwas anderes. An etwas Schönes. Sie werden ihre Schwänze reinstecken, ja und? Alles rein körperlich! Es ist nichts anderes als wenn du masturbierst. Sie können dich damit nicht verletzen!
Inzwischen trug sie nur noch ihren Slip. Als sie ihre Finger an den Gummibund legte, begannen ihre Hände so sehr zu zittern, dass sie ihn nicht greifen konnte. Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen, so schnell, dass sie ihrschon über die Wangen liefen, bevor sie überhaupt begriff, dass sie weinte. Sie wusste:
Es ist nicht wahr! Du kannst dich nicht davor verstecken! Es gibt nichts, was dich davor beschützen wird! Es ist nicht wahr!
»ES IST NICHT WAHR!«, kreischte sie laut, doch das hätte sie nicht tun sollen. Schnell packten sie die zwei Männer von den Seiten, der Thomas links, der Fleischer rechts, und rissen ihr den Slip vom Leib. »Schnauze!«, flüsterte der Thomas in ihr Ohr. »Sonst prügeln wir dich so lange, dass du uns am Ende darum anbettelst, dich endlich durchzuvögeln!«
Hastig schlüpfte der dicke Junge aus seinen Hosen. »Scheiß auf die Dusche«, keuchte er heiser, »mir geht jetzt schon fast einer ab!«
»Auf die Knie!«, flüsterte der Thomas.
Sie ließen sie los.
Als sie dem nackten Unterleib des Jungen vor sich sah, sein Penis hart und steif, die blanke Eichel dunkelrot geschwollen, kam endlich die Erkenntnis, die alles vernichtete. Die Erkenntnis, dass es passieren würde. Dass niemand ihr helfen würde, dass sie nichts, aber auch gar nichts tun konnte, um es zu verhindern. Sie würden es tun.
Veronika wusste nicht, ob ihr Verstand das noch mitmachen
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