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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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seiner Jungschatten, der gerade die Leiter herabstieg. Etwas verspätet bemerkte er, dass das rote Leuchten des Jungschatten die Silhouette eines Schwertes überdeckte.
    »Shirak-Tirak …«
    Der Jungschatten wandte sich zu ihm. »Lord Rushai?«
    »Hast du diesen Pfeil geschossen?« Damit zeigte Rushai auf das Geschoss, das aus dem Bauch des Mädchens ragte.
    Er las Shirak-Tiraks Gefühle wie aus einem Buch. Zuerst empfand der Jungschatten Schrecken, für die beschädigte Rüstung oder den Tod des Mädchens verantwortlich gemacht zu werden. Dann kam ihm die Erkenntnis, dass es der Leichnam war, von dem er die Klinge geraubt hatte. Als Nächstes überlegte er sich, ober lügen sollte, um damit ein Anrecht auf das Schwert zu gewinnen, doch schließlich siegte die Angst, dabei erwischt und bestraft zu werden.
    »Nein, mein Lord«, antwortete der Jungschatten wahrheitsgemäß und bewies damit größere Weisheit, als ihm Rushai zugetraut hätte.
    »Dann gehört dir auch nicht ihre Klinge.«
    Shirak-Tirak verbeugte sich kurz und schnallte dann den Waffengürtel von seiner Hüfte. Rushai nahm ihn in Empfang und begutachtete das Schwert.
    Schon ein Blick auf die Scheide reichte ihm aus, um zu wissen, dass Derrien nicht gelogen hatte. Es war eines der großen germanischen Schwerter. Die Scheide war reichlich mit Runen beschriftet und mit verschiedenen Vogelmotiven verziert. Das Heft des Schwerts war einem umgekehrten Adler nachempfunden: Der Knauf war der Kopf, die Parierstangen waren zum Griff hingewandt zwei Schwingen, zur Klinge gewandt jedoch zwei krallenbewehrte Beine. Das Blatt war von hervorragender Machart, die Flämmung kaum noch zu sehen, die Schärfe tadellos und ohne Scharte, obwohl das Schwert heute offenbar genug vom Kampf gesehen hatte. Getrocknetes Blut klebte an ihm und akzentuierte seine Schönheit.
    Er wunderte sich, ob Derrien nur erzählt hatte, was der Druide selbst über die Klinge gehört hatte, oder ob er tatsächlich gewusst hatte, dass es sich um ein Germanisches Großes gehandelt hatte. Die Klinge war mehr wert als
Waldsegen
, das der Druide im Austausch gefordert hatte, viel mehr wert. Es war
Angurvadel.
Frithiofs Schwert.
    Es fiel ihm schwer, sich von ihrem Anblick zu trennen, doch sein Tagwerk war noch nicht vollbracht. Enttäuscht steckte er das Schwert zurück in die Scheide.
    »Geshier«, wandte er sich an den narrengesichtigen Schatten, »ich übergebe dir die Verantwortung für dieses Mädchen. Bleib bei ihr und unterstütze die Heiler mit allem, was sie brauchen.Außerdem beauftragst du einen deiner Leute damit, von den Toten einen Kopf zu suchen, der eine ähnliche Größe hat wie der des Mädchens. Lass ihn abschneiden und ins Feuer der Schmiede werfen. Er soll nicht mehr erkennbar sein, wenn du ihn auf einen Speer steckst und auf den Südwall stellst.«
    Geshier nickte. »An wen soll die Nachricht denn gehen, dass die kleine Kröte hier oben das Zeitliche gesegnet hat?«
    »An den Weißen Baum. Ich glaube, er hatte etwas gegen sie.« Damit ging er zurück nach draußen auf die Mauer.
    »MÄNNER!«, brüllte er dann. Er wartete kurz, bis er ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. »Männer, ich bin stolz auf euch! Das war ein GROßARTIGER Sieg! Noch nie zuvor ist diese Festung in der Schlacht gefallen! Jeder, der daran teilgenommen hat, wird REICH belohnt werden! Alle diese Germanen, die hier oben gefallen sind, haben Frauen und Töchter gehabt, die sich nun nach einem Paar starker Arme sehnen, die sie trösten! Wir müssen nur noch hinunter ins Tal, um sie uns zu holen. Was sagt ihr dazu?«
    Die Männer jubelten ihm zu. Viele von ihnen hatten das Schwarze Ritual schon hinter sich, doch es gab auch ansonsten nur wenige Männer, die nach einer so blutigen Schlacht nicht mit dem Versprechen von Sex und Vergewaltigung zu ködern waren. Er verkniff sich ein Grinsen darüber, wie einfach ein Krieger zu steuern war.
    »Aber zuvor müssen wir weitermarschieren. Diese Nacht haben die Germanen in ihrer Stadt geschlafen, doch schon morgen früh könnten sie aufwachen und uns mit einer Armee entgegenmarschieren. Wenn sie das tun, bevor wir von der Treppe sind, können sie uns aufhalten, deshalb müssen wir
jetzt
ins Tal hinab. Sammelt euch draußen auf dem Feld bei euren Bannern und macht euch bereit für den Abmarsch!«
    Diesmal jubelte keiner, Rushai hatte auch nicht damit gerechnet. Kein Soldat freute sich, wenn es darum ging, des Nachts einen idealen Lagerplatz zu verlassen und weiterzumarschieren.

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