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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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du, was mit ihr passiert ist?«
    Shar’ketal schüttelte den Kopf. »Ich habe die Toten in meinem Turm bereits untersucht, aber da war nichts Außergewöhnliches dabei. Keine Alten, keine Kinder, keine Frauen. Alles Männer, die meisten zwischen zwanzig und dreißig.«
    Rushai nickte und machte sich auf den Weg über den Hof. Wenn sie nicht den Torturm verteidigt hatte, war sie mit Sicherheit im Glockenturm gewesen. Er verzog grimmig das Gesicht. Vor zehn Jahren hatten sie die Festung bereits auf diesen einen Turm reduziert gehabt, als plötzlich die verfluchte Ratsarmee eingetroffen war. Er selbst hatte sich mit seinem Bogen im Torturm verschanzt und hatte auf die Schießscharten gezielt, als sie plötzlich ihre verfluchte Glocke geschlagen hatten. Niemand hatte gewusst, was das bedeuten sollte, bis plötzlich dreimal so viele Pfeile auf sie herabprasselten und oben hinter den Zinnen frische Leute aufgetaucht waren.
    Es wäre auch heute schiefgelaufen, wusste Rushai. Obwohl der Ostturm überraschend schnell in ihre Hände gefallen war, hatte das alles
Ewigkeiten
gebraucht. Doch heute hatte die Glocke geschwiegen, und keine Verstärkung war aufgetaucht. Derrien hatte Wort gehalten, warum auch immer.
    Rushai hatte mehrere Thesen dafür. Hoffte der Druide etwa, dass sich Schatten und Germanen so sehr gegenseitig schwächten,dass er sich am Ende an der Spitze einer neuen Kelteninvasion aus Großbritannien den Sieg erhoffte? Oder war er selbst in der Zwischenzeit mit seinen Waldläufern nach Bergen unterwegs? Wenn er den Weißen Baum richtig einschätzte, gab es auch noch die dritte Möglichkeit – simpler, primitiver Hass. Vielleicht hatte die Anführerin der Germanen tatsächlich seinen Neffen getötet.
    Für heute war es egal. Die Waldläufer waren ein Problem, das an einem anderen Tag gelöst werden würde. Heute musste er sich darum kümmern, seinen weiteren Feldzug am Moldefjord vorzubereiten.
    Er kletterte eine Leiter zum Wehrgang hinauf und betrat den Glockenturm. Der Wachraum war übersät mit Leichen, der Gestank, der ihm entgegenschlug, war widerlich und anregend. Männer waren dabei, den Germanen Kleider vom Leib zu reißen und ihre Taschen zu durchwühlen. Andere zogen nackte Körper aus der gegenüberliegenden Tür und warfen sie dort von der Mauer hinab in den Hof. Ein besonders großer Mann mit schwarzer Robe und weiß geschminktem Gesicht war über einen Toten in einem aufwändig gearbeiteten Schuppenpanzer gebeugt.
    »Geshier.«
    Der Mann sah auf und grinste abrupt. Dieses Grinsen im Zusammenhang mit der weißen Schminke war es, weshalb man ihn auch Jokerface nannte. »Lord Rushai. Ich denke, ich habe da etwas, nach dem Ihr sucht.« Er hob den Kopf des Toten an, und Rushai erkannte, dass es kein Mann war, sondern eine Frau.
    Blond, wie Shar’ketal gesagt hatte. Und klein. Ein Pfeil ragte aus ihrem Bauch. Rushai krächzte einen bösen Fluch in der Schattensprache. Er hatte gehofft, sie lebendig in die Finger zu kriegen.
    »Was sollen wir mit der kleinen Kröte tun?«, fragte Geshier. »Sie lebt noch, wisst Ihr?«
    »Was?«
    »Sie ist noch nicht tot. Lebendig. Viviente. Levend. Vivant. Ihr versteht?«
    Neben Rushai war einer der Männer gerade damit beschäftigt,einem Toten einen Finger abzuschneiden, um an einen Ring zu gelangen. »Du!«, stieß Rushai aus und packte ihn am Kragen. »Finde mir einen der Heiler. Oder besser zwei oder drei. JETZT! Wenn hier keiner überlebt hat, schnapp dir ein Pferd und reite zu Tal’rash. LOS!« Der Mann hetzte davon, bleich und erschrocken, als ob er einem Gespenst begegnet wäre. Rushai konnte das nur recht sein.
    »Was wollt Ihr mit der Kröte?«, fragte Geshier. »Sie ist nur ein Mensch.«
    »Wer weiß«, erwiderte Rushai.
    Derrien hatte behauptet, Shukur hätte seinen Bruder getötet. Das mochte vielleicht wahr gewesen sein – Ronan
war
nach Rushais Berichten in der Schlacht von Espeland gefallen –, aber Tatsache war auch, dass Derrien im Gegenzug mit Shukur einen von Rushais besten Schatten gefordert hatte. Nun fragte er sich, welche besonderen Fähigkeiten dieses Mädchen besaß. Immerhin war sie Kommandantin hier gewesen, nicht der Mann mit der Berserker-Rune, der sich beinahe zu den Leitern am Ostturm durchgekämpft hätte, und auch kein anderer. Und hatte Derrien nicht auch behauptet, sie hätte ein magisches Schwert bei sich getragen?
    Er aktivierte die magische Wahrnehmung. Die gesamte Gestalt Geshiers begann, rötlich zu leuchten, ebenso die eines

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