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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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nach langem Schweigen.
    Mickey zog eine der Zigarettenpackungen, die sie aus einem Automaten am Stadtrand geplündert hatten, aus der Tasche und steckte sich fünf Zigaretten gleichzeitig in den Mund. Nachdem er sie angezündet hatte, verteilte er sie an seine Rudelbrüder und reichte zuletzt auch ihr eine davon. Sie nahm sie dankbar entgegen.
    »Du kommst nicht mit?«, fragte er, nachdem er nachdenklich den Rauch in den Wind geblasen hatte.
    Keelin schüttelte den Kopf, während sie an ihrer Zigarette zog. Sie glaubte, bereits die Wirkung des Nikotins in ihrem Körper spüren zu können. Tiefe Ruhe breitete sich in ihr aus.
    »Hmmm. Hamburg ist ein gefährliches Pflaster, in der Zukunft noch mehr als bisher.«
    »Es ist notwendig.«
    Eine Weile rauchten sie schweigend, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
    »Was werdet ihr tun, wenn ihr zurück seid?«, fragte Keelin schließlich. »Zwischen euch und eurem Anführer scheint es ja nicht gerade zum Besten zu stehen.«
    »Ha!«, schnaubte Spider im Hintergrund.
    Mickey kratzte sich hinter dem Ohr. »Ich fürchte, das werden wir erst entscheiden, wenn wir dort sind. Es gibt da ein paar Leute, mit denen ich sprechen muss.«
    Keelin nickte.
So wie bei mir …
    Wortlos rauchten sie ihre Zigaretten zu Ende. Schließlich erhob sich Mickey langsam, worin die anderen wohl das Signal zum Aufbruch sahen. Kurz darauf standen sie alle.
    »Wir müssen los«, erklärte Mickey. Nach einem kurzen Zögern fuhr er fort: »Wirst du zurück nach Norwegen gehen? Es wäre schade, wenn …« Er sprach nicht weiter und ließ Keelin darüber im Unklaren, was genau er schade fände.
    Wenn er mich töten müsste, wenn ich noch einmal dort auftauche? Oder wenn wir uns niemals wieder sehen würden?
    Sie wagte nicht, ihn danach zu fragen. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie stattdessen bloß.
    Er sah nachdenklich in Richtung Hamburg, wo der Feuerschein am Himmel noch ein wenig heller geworden war. Schließlich meinte er leise: »Dann wünsche ich dir viel Glück, Keelin.«
    »Ich dir auch«, sagte sie und verbesserte sich gleich, »ich
euch
auch.«
    Sie sahen sich schweigend an. Dann gab Mickey ein Signal, worauf sich die anderen umwandten und losmarschierten. Für einen kurzen Moment fragte sich Keelin, ob sie ihn wohl umarmen oder ihm wenigstens die Hand geben sollte. Doch da nickte Mickey ihr noch einmal zu und folgte seinen Rudelbrüdern.
    Keelin sah ihm nachdenklich hinterher, bis sie hinter einer Krümmung in der Hecke verschwunden waren. Dann wandte sie sich ebenfalls um und machte sich auf den Weg zurück nach Hamburg.

EPILOG
     
    Festung Trollstigen, Norwegen
    Montag, 01. November 1999
    Die Innenwelt
     
     
    »Na endlich«, knurrte Rushai, als sich mit lautem Kettengerassel das Fallgitter im Torturm Trollstigens hob. »Schickt einen Melder zu Tal’rash. Er soll sich beeilen.« Mit leichtem Schenkeldruck setzte er sein Pferd in Bewegung. Es war an der Zeit zu sehen, was ihn dieser Sieg gekostet hatte.
    Mit viereinhalbtausend Mann hatte er die Festung stürmen lassen, darunter etliche keltische Kriegsgefangene aus dem Ratsgebiet von Stavanger, die er noch nicht einmal dem Schwarzen Ritual unterzogen hatte. Er hatte sie mit Versprechungen und Drohungen gefügig gemacht, sich ihm anzuschließen, aber den meisten davon hatte es nur den Tod gebracht. Vielleicht war unter den Überlebenden der eine oder andere, mit dem sich etwas anfangen ließ.
    Das zertrampelte Schneefeld vor Trollstigen war übersät mit Leichen. Es handelte sich um Bogenschützen und Schildträger, die am Anfang der Schlacht verwundet wurden und mittlerweile genug Zeit zum Sterben gehabt hatten. Rushai ignorierte sie. Zum Zählen hatte er Leute. Am Burggraben sah es schon anders aus. Tote und Halbtote lagen kreuz und quer übereinander, die meisten von ihnen mit zerschmetterten Gliedmaßen vom tiefen Sturz. Viele hatten Pfeilverletzungen, einige andere aber auch Schnittwunden, die sie auf dem Wall erlitten hatten. Anfangs hatte sich die Garnison noch die Mühe gemacht, die toten Angreifer wieder herabzuwerfen, was vom Standpunkt der Motivation eine sehr kluge Taktik gewesen war. Je mehr Tote im Graben lagen, destomehr Angst bekamen die, die auf die Leitern mussten. Das war etwas Neues, das die Kelten vor zehn Jahren noch nicht gemacht hatten.
    Der relativ schnelle Durchbruch in den Ostturm hatte ihn überrascht. Er war sich nicht sicher, ob ein Schatten dafür verantwortlich gewesen war oder ein Sterblicher, doch

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