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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hatte die Suche mittlerweile aufgegeben und sich auf Aouregans Lager gesetzt.
    »Cintorix ist doch sonst nicht so blind, was Stimmung und Menschenführung angeht«, überlegte Derrien laut. »Warum riskiert er jetzt einen Aufstand?«
    »Vielleicht«, murmelte Seog, »liegt es daran, dass es Ronan war, der seine Schlacht gewonnen hat, und nicht er selbst oder einer seiner Helvetier. Und Aouregan, eine Frau und Historikerin. Ich glaube, das passt nicht in sein Weltbild. Vielleicht ist das seine Art, damit fertig zu werden, indem er sich jetzt an uns rächt.«
    »Oder es ist Medredydd«, überlegte Aouregan laut. »Der stahlharte, unnachgiebige Medredydd. Ein Vergehen, eine Strafe, egal welche Gründe, egal welche Umstände.«
    Derrien nickte nachdenklich. »Erzählt mir mehr über den Angriff auf das Kêr.«
    Es war erneut Aouregan, die antwortete: »Schatten haben die Pforte auf der Insel Sekken durchschritten und die Stadt vom Hafen aus angegriffen. Das Fischerdorf ist größtenteils zerstört, doch es hat angeblich auch im Handwerkerviertel gebrannt. Häuptling Nerin konnte die Angreifer an der Pforte am Gridsetskolten vernichten, aber es heißt, dass er sehr schwer verletzt ist. Keine Ahnung, was aus unseren Schutzgeistern geworden ist.«
    Eisiges Schweigen folgte.
Das Fischerdorf ist größtenteils zerstört
, wiederholte Derrien in Gedanken. Das klang überhaupt nicht gut. Derrien ballte die Hände zu Fäusten, als er fragte: »Was ist mit der Familie meines Bruders?«
    »Ich weiß es nicht, Herr.«
    »Und deswegen desertieren unsere Leute?«
    Aouregan nickte.
    Derrien überlegte lange, bis er schließlich erklärte: »Unser Volk muss nach Hause. Die Schlacht hat uns viele Männer gekostet, und nun noch der Überfall. Wenn wir nicht aufpassen, gibt es am Ende dieses Krieges keine Bretonen mehr. Warum habt ihr unsere Männer nicht zurückgebracht?«
    »Wie denn?«, warf Seog ein. »Ihr seid der Stellvertreter des Häuptlings, nicht wir! Ihr habt ja gesehen, was passiert, wenn sich einer von uns gegen das Wort des Feldherrn stellt. Von uns würde keiner damit durchkommen, einfach in das Gefangenenlager zu reiten und einen Mann rauszuholen!«
    »Ich, Nerins Stellvertreter?« Derrien lachte kurz und hart. »Oh, nein! Dieser Krieg hat schon jetzt deutlich genug gezeigt, wie wichtig meine Waldläufer für unser Volk sind! Meine Aufgabe liegt definitiv nicht im Kêr!«
    »Wer soll dann den Stamm anführen, solange Nerin verletzt ist?«, fragte Aouregan.
    »Du.«
    Aouregans Kinn klappte nach unten und gab die Sicht auf eine Reihe ungepflegter gelber Zähne frei. »Ich? Das ist nicht Euer Ernst!«
    »Wer soll es sonst machen? Meven und Kongar sind tot, Briand ist zu unentschlossen für eine solche Aufgabe, Maelog verbringt zu viel Zeit in der Außenwelt. Ninnog ist ein
Mädchen
, und Padern und Karanteq brauche ich weiter für meine Waldläufer. Seog könnte es natürlich noch machen, aber Seog ist zu jung. Außerdem brauchen wir ihn als Kriegsherren. Willst du Kriegsherr
und
Häuptling werden, Seog?«
    Die Mimik des jungen Druiden sprach Bände. Für ein paar Augenblicke war die Versuchung groß, ja zu sagen, doch Seog überstand den Moment. »Nein, Herr«, murmelte er.
    »Aber ich bin eine Frau!«, warf Aouregan ein.
    »Und? Du warst auch eine Frau, als du mit meinem Bruder durch den Schildwall gebrochen bist! Die Männer respektieren, wer sich bewährt hat, und wenn sich jemand in der Schlacht von Espeland bewährt hat, dann du!«
    »Seog hat unsere Flanke gehalten, mit Leibeigenen und Feiglingen aus den hintersten Reihen!«
    »Seog hat einen Schildwall gehalten, der nach allen Erfahrungen der Kriegskunst eigentlich hätte fallen müssen. Das macht ihnzu einem Veteranen, aber nicht zu einem Helden. Zu einem Helden werden nur die, deren Taten besungen werden. Und das bist
du
, Aouregan!«
    »Sie werden mich im Rat nicht akzeptieren.« Offenbar fielen ihr keine Argumente mehr ein, weshalb sie nicht geeignet wäre.
    »Erinnere sie an die Schlacht, und sie werden den Mund halten. Es wird so schnell nicht vergessen werden, wie sie gerannt sind, die Iren und die Schotten, die Gallier und sogar Cintorix’ Helvetier. Nur wir sind nicht gerannt. Unser Schildwall stand fest. Und
du
hast ihnen den Sieg gebracht!«
    »Euer Bruder hat den Sieg gebracht!«
    »Ronan ist tot. Du lebst.« Es gelang ihm nicht ganz, die Bitterkeit aus seiner Stimme zu halten. »Sie wissen ganz genau, dass ihr es gemeinsam vollbracht habt, selbst wenn

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