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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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mit dir sprechen.« Ohne auf sie zu warten, ging er durch die Reihen tiefer in die Richtung des Heilerquartiers.
    Keelin antwortete nicht. Es würde noch einige Zeit dauern, bis sie Baturix versorgt hatte, doch das würde Derrien schon bemerken. Sie wickelte den Verband fertig, bevor sie sich um die Gesichtsverletzungen kümmerte. Sie fragte ihn nicht, woher diese Wunden stammten oder was zwischen ihm und Derrien vorgefallenwar. Es interessierte sie nicht. Die Risswunde vernähte sie, die Schrammen versorgte sie, die Nase bog sie mit einem Ruck und einem hässlichen Knacken gerade, ohne dass Baturix ein einziges Mal aufschrie. Dann half sie ihm in seine Kleider und wünschte ihm eine gute Besserung. Er dankte ihr und verabschiedete sich.
    Im Unterstand wurde sie von Scott aufgehalten, der wissen wollte, ob er ein paar Leute in den Wald schicken durfte, um nach frischer Eichenrinde zu suchen. Sie nickte und ließ sich die Namen der Männer geben. Dann beschloss sie, dass sich das Gespräch mit Derrien nicht mehr länger aufhalten ließ.
    »Was wollt Ihr?«, fragte sie Derrien, als sie zu ihm ins Heilerquartier trat.
    Er hatte sich auf eines der Feldbetten gesetzt und deutete auf die Liege daneben. »Setz dich, Keelin.«
    »Ich stehe lieber.« Sie verschränkte die Arme.
    »Ich sagte, du sollst dich setzen.« Seine Stimme war hart, doch er mäßigte die Worte etwas, indem er dazufügte: »Ich habe etwas mit dir zu besprechen, was nicht für alle Ohren bestimmt ist.«
    Keelin seufzte und ließ sich auf das Feldbett sinken. »Ich höre.«
    »Ich habe einen Auftrag für dich.« Der Schattenfeind war noch nie dafür bekannt gewesen, lange um den heißen Brei herumzureden. »Du musst noch heute aufbrechen.«
    Keelin war zu müde, um sich über seine Anmaßung aufzuregen. »Ihr wisst, dass ich nicht mehr Eure Untergebene bin«, murmelte sie. Sie war ein paar Wochen lang bei den Waldläufern gewesen, doch das war vorbei. »Ich bin eine Heilerin. Ich werde hier gebraucht.«
    Kein Muskel bewegte sich in Derriens Miene. »Ich werde mit Justus sprechen. Er wird dich freigeben.«
    »So?«, fragte sie. »Ich glaube kaum. Seht doch nach draußen, Herr. Wir haben so viel Arbeit, wir brauchen mehr Leute, nicht weniger!«
    Derrien schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wichtig.
Das
hier ist wichtig.« Damit klopfte er auf den Gegenstand in seiner Tasche.
    »Ich glaube kaum.« Der Ärger wuchs langsam in ihr. Sie ignorierte das Warnsignal.
    »Keelin, es gibt hier überhaupt keinen Grund zur Diskussion. Du wirst tun, was ich dir sage. Du solltest stolz sein, dass ich dir diese Aufgabe übertrage!«
    »Ha! Stolz!« Derriens Arroganz genügte, um ihren Zorn zum Brodeln zu bringen. Sie war zu ausgelaugt, um sich dagegen zu wehren. »Stolz, wie? Warum sollte ich stolz darauf sein, meine Arbeit hier stehen und liegen zu lassen? Vielleicht bin ich nur eine kleine, unerfahrene Heilerin, aber die Leute brauchen mich, brauchen mich mehr, als Ihr Euch offenbar vorstellen könnt! Ich rette hier Menschenleben! Aber Ihr, Ihr glaubt, nur
Ihr
seid wichtig!« Der Hohn troff in ihrer Stimme und ließ das »Ihr« klingen wie ein hässliches Schimpfwort. »Ihr seid so eigensinnig, dass Ihr nur noch Eure Mission im Blick habt, nur noch Euch und Eure Waldläufer und Eure Unterwelt und Euren Schattenkrieg. Aber wisst Ihr was? Hier bei uns dreht sich die Welt weiter, während Ihr weg seid. Wir kämpfen hier genauso wie Ihr, vielleicht auf eine andere Art und Weise, aber wir KÄMPFEN!« Das letzte Wort hatte sie geschrien, mit sich überschlagender Stimme und Tränen in den Augen. Völlig überrascht spürte sie, dass sie den Ausbruch nicht mehr aufhalten konnte und sprang auf. Schluchzend rannte sie aus dem Quartier und durch den strömenden Regen in den Wald.
    Dort ließ sie sich auf einen Felsen sinken und weinte. Die Anstrengung, der Stress, der Schlafmangel, das unendliche Elend der Verwundeten und Kranken, all das, was sie in den letzten Tagen durchgemacht und erlebt hatte, brach sich seine Bahn. Sie saß da, den Kopf mit den kurzen Stoppelhaaren in die Arme gestützt und weinte wie ein Neugeborenes, schluchzend und mit triefender Nase.
    Sie wusste nicht, wie lange sie so dasaß. Der Regen prasselte auf sie nieder, trotz der Bäume über ihrem Kopf, und hatte sie längst bis auf die Knochen durchweicht. Die Kälte war es schließlich, die den Heulkrampf durchbrach. Sie empfand Selbstekel, alssie sich zitternd, mit wackligen Knien und klappernden Zähnen

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